Gießener Tiergiftforscher trifft auf Nobelpreisträger*innen
Herr Dr. Tim Lüddecke vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (Gießen) und dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (Frankfurt a. M.) wurde zur Teilnahme der 72. Lindau Nobel Laureate Meetings ausgewählt.
Seit 1951 kommen in der bayrischen Kleinstadt Lindau am Bodensee im Rahmen der Lindau Nobel Laureate Meetings regelmäßig herausragende Wissenschaftler*innen zusammen. Hier treffen jährlich Nachwuchsforschende auf die sogenannten Laureates, Wissenschaftler*innen die mit dem begehrten Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Die hochkarätigen Tagungen dienen dem intellektuellen Austausch und rotieren thematisch zwischen den Nobelpreis-Disziplinen (Physik, Chemie oder Physiologie und Medizin). Das mehrstufige Auswahlverfahren zur Teilnahme ist international und hoch kompetitiv. Weiterhin ist die Teilnahme im Regelfall ein einmaliges Ereignis für jeden Nachwuchsforschenden, es sei denn, sie werden selber mit einem Nobelpreis ausgezeichnet. Die Teilnehmenden bleiben jedoch ein Leben lang Teil des Lindau Alumni Networks vernetzt. Zu den diesjährigen 72. Lindau Nobel Laureate Meetings (25.-30.06.2023), wurden im Bereich Physiologie und Medizin 635 Nachwuchsforschende zum Austausch mit den Laureates eingeladen.
Unter den ausgewählten Teilnehmenden befindet sich auch der Gießener Tiergiftforscher Dr. Tim Lüddecke. »Es ist mir eine große Ehre, dass die Auswahlkommission meine Bewerbung berücksichtigte und ich an den 72. Lindauer Tagungen teilnehmen konnte«. Lüddecke leitet als Nachwuchsgruppenleiter die Arbeitsgruppe »Animal Venomics« am Institutsteil Bioressourcen des Gießener Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie und am Institut für Insektenbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Weiterhin ist er Mitglied des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik, einem Konsortium hessischer Forschungsinstitute unter Federführung der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main. Hier ist er Projektbereichssprecher für Naturstoffgenomik.
In seiner Forschung befasst sich Lüddecke mit der Biologie, Biochemie und möglichen Anwendungsformen von Tiergiften, speziell von Arthropoden. Im Fokus steht hier die Identifikation und funktionelle Charakterisierung von bislang unbekannten Naturstoffen durch Systembiologie und Biotechnologie sowie deren Translation in nachhaltige Lösungen für Pflanzenschutz, industrielle Güterproduktion und insbesondere für die Biomedizin. Gemeinsam mit seinen Partner*innen aus LOEWE-TBG gelang es Lüddecke bereits neue Biomoleküle aus den Giften von beispielsweise Spinnen, Ameisen oder Bienen mit Wirksamkeit gegen (multiresistente) Krankheitserreger oder Brustkrebs zu isolieren. »Die Diskussionsrunden und der wissenschaftliche Austausch waren überaus bereichernd und haben mir vollkommen neue Perspektiven eröffnet. Ich freue mich darauf weiterhin mit den Nobelpreisträgern und anderen Nachwuchskräften der Physiologie und Medizin im Rahmen des Lindau Alumni Networks vernetzt zu bleiben«, so Lüddecke.
Über die Lindauer Nobelpreisträgertagungen
Seit ihrer Gründung im Jahr 1951 haben sich die Lindauer Nobelpreisträgertagungen zu einem einzigartigen internationalen wissenschaftlichen Forum entwickelt. Die jährlichen Tagungen dienen dem Austausch zwischen unterschiedlichen Generationen, Kulturen und Disziplinen. So sind die Tagungen abwechselnd den drei naturwissenschaftlichen Nobelpreis-Disziplinen, der Physik, der Chemie oder der Physiologie und Medizin gewidmet. Alle fünf Jahre findet eine interdisziplinäre Tagung statt und alle drei Jahre die Lindauer Tagung der Wirtschaftswissenschaften. Im Rahmen verschiedener Deklarationen (2020 für offene Wissenschaften, 2015 zum Klimawandel, 1955 gegen den Einsatz von Atomwaffen) brachten sich die Wissenschaftler*innen immer wieder mit politischen Appellen in die öffentliche Debatte ein. Es waren die Lindauer Ärzte Franz Karl Hein und Gustav Wilhelm Parade, die mit der Idee zu einer Konferenz mit Nobelpreisträger*innen an Lennart Graf Bernadotte af Wisborg herantraten und die diese gemeinsam mit ihm umsetzten – bereits seit 1953 auch mit Nachwuchswissenschaftler*innen. Rund 35.000 Studierende, Doktorand*innen und Postdoktorand*innen haben seitdem teilgenommen.
Auch wenn die Tagung für sie im wahrsten Sinne des Wortes ein einmaliges Erlebnis war, so bleiben sie doch ständige Mitglieder des Lindau Alumni Network sind miteinander vernetzt und Botschafter*innen des wissenschaftlichen Dialogs. Ganzjährig engagieren sich die Lindauer Nobelpreisträgertagungen mit ihrer »Mission Education« dafür, die Bedeutung der Wissensgesellschaft hervorzuheben und für Wissenschaft und Forschung einzutreten. Diesem Ziel dient auch die Lindauer Mediathek als Lernplattform, unter anderem mit Unterrichtsmaterialien für Schulen.