Löwenzahn - die neue Kautschukquelle

© Birgit Orthen
© Birgit Orthen

Kautschuk ist der Rohstoff für mehr als 50.000 verschiedene Produkte, vor allem für Autoreifen, aber auch für Dichtungen, Matratzen, Schuhsohlen oder Kondome. Fast 14 Millionen Tonnen Naturkautschuk wurden 2018 produziert und durch Vulkanisation zu Gummi, ein zugleich festes und selbst bei Kälte elastisches Material, weiterverarbeitet.

Gewonnen wird der Rohstoff heute fast ausschließlich aus dem Milchsaft eines Baums, der den botanischen Namen Hevea brasiliensis trägt. Ursprünglich ist dieser in den tropischen Wäldern Brasiliens beheimatet, seine Hauptanbaugebiete liegen heute jedoch in Südostasien. Seit 2000 hat sich die weltweite Naturkautschukproduktion von knapp 7 Millionen Tonnen auf 13,9 Millionen Tonnen in 2018 verdoppelt. Der intensive Anbau von Kautschukbäumen bringt Probleme mit sich: Einsatz von großen Mengen an Pestiziden, die Bäume benötigen viel Wasser, was z.T. den Grundwasserspiegel sinken lässt. Vor allem aber brauchen die Plantagen Fläche. Um diesen Platz zu schaffen, wurden in den Anbauländern wie Thailand und Indonesien große Gebiete tropischen Waldes gerodet. Nicht nur in seiner Heimat Brasilien, auch in den neuen Anbaugebieten sind die Monokulturen anfällig für Krankheitsbefall. In Brasilien trug der Pilz Microcyclus ulei maßgeblich zum Niedergang des Kautschukimperiums bei.

Bisher sind die Anbaugebiete in Südostasien von diesem Pilz verschont geblieben, Experten vermuten aber, dass sich dies mit direkten Flugverbindungen zwischen Brasilien und Südostasien schnell ändern kann. Heimische Pilze befallen die Kulturen in Asien sehr wohl: Im Oktober 2019 meldete die thailändische Kautschukbehörde, dass ein wichtiges Anbaugebiet im Süden von einer Pilzkrankheit heimgesucht wird, die die Produktion des Gebiets halbieren könnte. Die Krankheit breitet sich schnell aus, die Bäume sind kahl und können nicht mehr angezapft werden. Auch im benachbarten Indonesien ist die Kautschukernte durch den Pilz erschwert. Nach Angaben des International Rubber Consortiums sind zurzeit rund 382.000 Hektar Kautschukplantagen betroffen.

Zwar gibt es synthetischen Kautschuk auf Erdölbasis, dieser kann das Naturprodukt allerdings nur teilweise ersetzen.
Aufgrund all dieser Faktoren, müssen wir dringend alternative, nachhaltige Naturkautschukquellen erschließen.

© Fraunhofer IME
© ESKUSA | F. Eickmeyer
© Continental Reifen GmbH Deutschland

Am Fraunhofer IME in Münster setzen die Forscher seit vielen Jahren auf den Russischen Löwenzahn (Taraxacum koksaghyz) als Alternative. Dieser sieht zwar aus wie der heimische Löwenzahn, hat aber einen enormen Vorteil: sein Milchsaft enthält größere Mengen an Naturkautschuk. Als Prof. Dr. Dirk Prüfer, Professor für Biotechnologie der Pflanzen an der WWU Münster und Abteilungsleiter am Fraunhofer IME mit seinem Team mit den Arbeiten begann, standen sie vor großen Herausforderungen. Noch war der Russische Löwenzahn eine Wildpflanze mit einer zwar erhöhten, aber für die industrielle Nutzung noch zu geringen Konzentration an Naturkautschuk. Durch gezielte Züchtung gelang es den Forschenden, den Kautschukgehalt innerhalb kurzer Zeit zu verdoppeln. Die Wissenschaftler verzichteten auf gentechnische Eingriffe, sie analysierten stattdessen die Löwenzahn-DNA und definierten DNA-Marker, die das Vorhandensein einer gewünschten Eigenschaft anzeigen. Hiermit konnten sie bereits bei Keimlingen feststellen, ob diese Eigenschaften besitzen, die sich positiv auf die Kautschukproduktion auswirken. Die erfolgreiche Kooperation mit den Partnern Julius Kühn-Institut und dem Pflanzenzuchtexperten ESKUSA führte auch zu Pflanzen mit einem deutlich erhöhten Gehalt an Naturkautschuk.

In der Folge bestand der Naturkautschuk den Praxistest, sodass Ende 2018 das Forschungs- und Versuchslabors »Taraxagum Lab Anklam« eröffnet wurde, das einen Meilenstein auf dem Weg zur Industrialisierung des Löwenzahnkautschuks darstellt.

2019 präsentierte Continental Reifen Deutschland GmbH mit dem Urban TARAXAGUM® den ersten in Serie gefertigten Fahrradreifen aus Löwenzahnkautschuk. Die Planungen sehen - bei weiteren positiven Ergebnissen - vor, dass Auto- und LKW-Reifen aus Löwenzahn in den nächsten Jahren vom Band rollen.

 

Team rund um das Projekt »Nachhaltige Reifen durch Löwenzahn – Innovationen aus Biologie, Technik und Landwirtschaft« für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert

Löwenzahn im Film

 

Wissenschaftsjahr 2020/21 Köpfe des Wandels

Wie kann uns Bioökonomie helfen, unsere Zukunft nachhaltiger zu gestalten und welche Herausforderungen bringt sie mit sich? Expertinnen und Experten geben hier Antworten auf spannende Fragen, die sich im Zusammenhang mit einem Wandel hin zu einer biobasierten und ressourcenschonenden Wirtschafts- und Lebensweise stellen.

Christian Schulze Gronover und Dirk Prüfer beantworten Fragen zum Naturkautschuk von heimischen Feldern.

Highlight Löwenzahn


Plant 2030 Highlights der Angewandten Pflanzenforschung

Löwenzahn ab Seite 54

Ausgewählte Publikation


Comparative proteome and metabolome analyses of latex-exuding and non-exuding Taraxacum koksaghyz roots provide insights into laticifer biology doi.org/10.1093/jxb/erz512

weitere Publikationen finden Sie hier

Unsere Forschung hören