Aus zwei mach eins: Optimierte Kartoffeln für industrielle Zwecke

© Fraunhofer IME | Birgit Orthen
© BioPlant GmbH | E. Tacke
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Stärke spielt als nachwachsender Rohstoff in ganz unterschiedlichen Industriezweigen eine bedeutende Rolle. Das breite Spektrum der stofflichen Nutzung im Non-Food Sektor reicht von Papier, Wellpappe und Farben über Werk- und Verbundstoffe bis hin zu Kosmetika, Biokunststoffen, Arzneimitteln, medizinischen Materialien und sogar Textilien.

Stärke besteht aus zwei Komponenten: Den linearen Ketten der Amylose und den verzweigten Ketten des Amylopektins. Beide Polymere sind aus Glukosemolekülen aufgebaut, die jeweils unterschiedlich miteinander verknüpft sind. Die Komponenten unterscheiden sich deutlich in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften: Amylopektin wirkt verdickend, Amylose hingegen gelierend. In vielen technischen Anwendungen, wie in der Papier-, Garn- und Klebstoffindustrie, wird nur Amylopektin benötigt und Amylose ist unerwünscht, da sie in zahlreichen Anwendungen stört. Eine Trennung von Amylopektin und Amylose ist zwar prinzipiell möglich, jedoch mit einem extrem hohen Energieaufwand verbunden und somit unwirtschaftlich. Konventionell wird die gelierende Wirkung der Amylose verringert, indem man sie vor der Anwendung chemisch modifiziert. Auch dieser Prozess geht mit erhöhtem Verbrauch an Energie und Wasser einher.


Stärke kommt in nahezu allen Pflanzen vor. Für industrielle Zwecke werden in Deutschland 3,7 Millionen Tonnen Weizen, Kartoffeln und Mais als Rohstoffquelle angebaut. Kartoffelstärke unterscheidet sich in einigen Punkten wesentlich von Mais- oder Weizenstärke. Die höhere Reinheit der Stärke, die höhere Viskosität und die damit verbundene höhere Bindekraft der Stärkepasten prädestiniert Kartoffelstärke für zahlreiche Anwendungen. Daher wählten die Forscher am Fraunhofer IME die Kartoffel aus, um deren Stärkebiosynthese so zu modifizieren, dass nur Amylopektin gebildet wird. Aus Forschungen mehrerer Gruppen weltweit wussten sie, dass hierfür ein Gen ausgeschaltet werden musste. Um dieses Ziel zu erreichen bedienten sich die Forscher der TILLING Technologie. TILLING steht für »Targeting Induced Local Lesions IN Genomes«. Zunächst behandelten die Forscher Kartoffelsamen mit Ethylmethansulfonat, einer Substanz, die seit langem in der Züchtung eingesetzt wird. Sie erzeugt zufällige Punktmutationen im Erbgut. Anschließend sucht man im Blattgewebe der aus diesen Samen gezogenen Pflänzchen nach der gewünschten Mutation, die die Synthese von Amylose unterbindet. Möglich ist dies durch die enormen Fortschritte in der molekulargenetischen Analytik, mit denen die Erbanlagen von Tausenden von Keimlingen relativ schnell auf Mutationen geprüft werden können. 2.748 Keimlinge wurden untersucht, bis diejenigen identifiziert wurden, die die gewünschten Mutationen in einer Kopie des Amylose-Gens zeigten.

Die Züchtung dieser vielversprechenden Kandidaten erfolgte dann beim Kooperationspartner BioPlant, der durch Kreuzung zusätzlich Eigenschaften wie Resistenz und Ertrag optimierten. Die Fraunhofer IME Forscher analysierten das Erbgut jeder Pflanzengeneration. Nur Kartoffeln mit je zwei defekten Amylose-Gen-Kopien wurden weitergezüchtet, um die Mutation zu erhalten. Die besten unter ihnen wurden abschließend gekreuzt. Ein Sechsunddreißigstel ihrer Nachkommen trägt dann vier defekte Amylose-Gen-Kopien und damit die Voraussetzung, nur noch Amylopektin zu bilden.
Inzwischen werden Jahr für Jahr diese Kartoffeln auf den Feldern der Vertragsbauern angebaut.

Ausgewählte Publikation

 

Precision breeding for novel starch variants in potato, Muth et al.

 

DOI: 10.1111/j.1467-7652.2008.00340.x