Herstellung geschmacksoptimierter Lebensmittel auf Basis von Insekten-Protein

Herstellung geschmacksoptimierter Lebensmittel auf Basis von Insekten-Protein

© Fraunhofer IME | Daniel Bankonyi
Larven des Mehlkäfers Tenebrio molitor
© Fraunhofer IME | Daniel Bankonyi
Insektenwurst hergestellt aus den Larven des Mehlkäfers

Forschungsmotivation

Die Weltbevölkerung wächst stetig und mit ihr der Bedarf nach Nahrungsmitteln. Gleichzeitig bedroht der Klimawandel in Verbindung mit einer stark begrenzten Verfügbarkeit an landwirtschaftlicher Fläche die stabile Versorgung der Menschheit mit Lebensmitteln. Die Lebensmittelbranche ist daher mit einer möglichst umfänglichen Verwertung der verfügbaren Ressourcen zur Lebensmittelherstellung konfrontiert. Gleichzeitig ist sie auf der Suche nach innovativen Ideen wie z. B. fleischähnlichen Produkten, da viele Konsumenten aus ethischen Gründen, unwürdige Haltungsbedingungen der Tiere oder aufgrund von Fleischskandalen weniger Fleisch essen bzw. ganz darauf verzichten wollen. 

 

Vorteile von Insekten

Mit mehr als einer Million beschriebenen Spezies stellen Insekten die artenreichste Tiergruppe weltweit dar. In vielen Teilen der Erde stehen traditionell schon seit langer Zeit diverse Insekten auf dem Speiseplan des Menschen. Insgesamt sind etwa 2000 genießbare Insekten bekannt; hierzu zählen vor allem Käfer, Ameisen, Wespen und Bienen. Ebenso stehen Insekten auf dem Speiseplan von Tieren. Dadurch, dass sie ubiquitär auf der Welt vertreten sind, stellen sie eine hervorragende alternative Proteinquelle für Mensch und auch Tier dar. Insekten weisen im Vergleich zu Nutztieren wie Rinder, Schweine oder Geflügel eine deutlich bessere Ökobilanz auf, benötigen weniger Ressourcen wie z. B. Futter oder Wasser und deutlich weniger Land. Schweine oder Hühner werden vielfach in Legebatterien oder Mastställen gehalten, Speiseinsekten werden dagegen in artgerechten und lebensmittelechten Behältnissen gezüchtet, die dem natürlichen Schwarmverhalten von Insekten entsprechen. Die Fleischproduktion verursacht außerdem Land- und Wasserverschmutzung, welche zu Klima- und anderen Umweltproblemen führen. 70 Prozent der für die Landwirtschaft genutzten Fläche inkl. der Fläche für den Anbau des Futters für die Nutztiere wird für die Zucht konventioneller Nutztiere verwendet. Ein weiterer Vorteil von Insekten ist die Futterverwertungseffizienz, welche bei den konventionellen Nutztieren bei herkömmlichem Futter sehr gering ist. Insekten sind wechselwarme Tiere, sodass keine der durch das Futter bereitgestellten Energie zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur benötigt wird. Für den Verzehr ist der verwertbare Anteil bei Nutztieren in Relation zum Gesamtgewicht deutlich geringer als bei Speiseinsekten. Von Heuschrecken können über 80 Prozent und von Mehlwürmern 100 Prozent verzehrt werden. Eine aktuell (noch) nicht genutzte Ressource sind die Ausscheidungen der Insekten, die auch als frass bezeichnet werden. Aufgrund des hohen Stickstoffgehalts kann dieser als Bio-Dünger eingesetzt werden. Im Gegensatz zu mineralischen Düngemitteln ist das enthaltende Phosphat im frass weniger gut wasserlöslich und verbleibt somit länger im Boden. Studien haben gezeigt, dass das Phosphat dennoch gleich gut von den Pflanzen aufgenommen wurde, es findet keine Auswaschung statt.

 

Notwendigkeit einer alternativen Proteinquelle basierend auf Insekten

Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lebensmittelproteinen durch das Wachstum der Weltbevölkerung und dem zunehmenden Konsum von tierischen Lebensmitteln werden neue Proteinquellen benötigt. Erste Alternativen auf pflanzlicher Basis, wie z. B. Erbsen- oder Sojaprotein gibt es seit geraumer Zeit kommerziell zu erwerben. Ein nachteiliger Aspekt bei einer Versorgung mit pflanzlichen Proteinen ist deren im Vergleich zu tierischen Proteinen geringere biologische Wertigkeit. Außerdem führt eine einseitige Ernährung mit pflanzlichen Proteinen zu einer Vitaminunterversorgung, da nicht genügend Vitamin B12 und Vitamin D3 enthalten sind. Durch die Züchtung der Insekten werden neben den hochwertigen Proteinen auch essenzielle Vitamine und Fettsäuren in die innovativen Lebensmittel eingebracht. Dies führt dazu, dass das alternative Produkt reich an essenziellen Nahrungsbestandteilen ist und typische Mangelerscheinungen, wie sie beim ausschließlich oder weit überwiegenden Verzehr von derzeit auf dem Markt befindlichen fleischähnlichen Lebensmitteln eintreten können, vermieden werden.

Insekten sind größtenteils omnivor, sodass sie eine breite Vielfalt an Futter verwerten können. Die Verwendung industrieller Nebenströme der Lebensmittel- und Agrarindustrie als Futter ermöglicht eine ressourcenschonende Insektenzucht. So kann relativ leicht hochwertiges Protein aus wertlosen bzw. geringwertigen Strömen generiert werden. Die nachhaltige Entwicklung einer Insektenzucht im Projekt »InWu – Etablierung einer neuartigen Proteinquelle auf Basis von Insekten zur Herstellung von geschmacksoptimierten Lebensmitteln« erfolgte sowohl mit festen als auch flüssigen Nebenströmen der Lebensmittelindustrie. Als geeignete Kandidaten wurden die Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) sowie des glänzendschwarzen Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus) ausgewählt. Für die innovative Produktentwicklung wurde vorrangig mit dem Mehlwurm gearbeitet, da dieser seit Juni 2021 von der European Food Safety Authority (EFSA) als neuartiges Lebensmittel zugelassen wurde. Im InWu-Projekt wurden regionale Nebenströme zur Kultivierung der Larven des Mehlwurms getestet. Im direkten Vergleich zur Referenzdiät konnte gezeigt werden, dass die Mehlwürmer auf einer Mixtur bestimmter Nebenströme sich gleich schnell entwickelten. Weiterhin wurde in dem Projekt zum ersten Mal gezeigt, dass flüssige Nebenströme nach einer einfachen Aufarbeitung erfolgreich als Nassfutter, welches als Feuchtigkeitsquelle dient, eingesetzt werden können. Durch diese Zufütterung können etwaige Limitierungen des Trockenfutters ausgeglichen werden.

 

Insektenwurst aus Larven des Mehlkäfers

Studien zeigten, dass die Bereitschaft westlicher Konsumenten, Insekten zu essen, steigt, wenn diese zum einen in bekannten Produkten wie Burgerpatties oder Proteinriegeln enthalten sind. Und zum anderen, wenn die Insekten in zermahlener Form zugegeben wurden bzw. diese im Produkt nicht mehr erkennbar waren. Durch die Anpassung an den europäischen/westlichen Geschmack mit Gewürzen und Schaffung einer vertrauten Konsistenz und Textur des Produktes soll die Bereitschaft, Insekten zu verzehren, gesteigert und so der »Ekel-Faktor« reduziert werden. Die Konsumenten können langsam an Insekten als Lebensmittel gewöhnt werden. Im Projekt wurde eine streichfähige Wurst kreiert, die zu 60 Prozent aus den Larven des Mehlkäfers besteht. In Verkostungen zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit der Konsumenten dieses Produkt regelmäßig verzehren würde. Fleischersatzprodukte aus Insekten können somit eine attraktive Alternative für Konsumenten darstellen, die Wert auf eine nachhaltige Lebensmittelwahl legen.

 

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Prof. Dr. Holger Zorn

Stv. Institutsleiter & Abteilungsleiter »Food & Feed Improvement Agents«

Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME

Telefon +49 641 97219-130

Prof. Dr. Martin Rühl

Stellv. Abteilungsleiter »Food & Feed Improvement Agents«

Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME

Telefon +49 641 97219-278