Auf »Aspirant« folgt »Perspective« – Innovative Wege der Produktion und Anwendung von Triterpenoiden
Anfang Februar startete das Nachfolgeprojekt von »Aspirant« – »Perspective«. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt setzte sich auch in der zweiten Phase der Initiative »Maßgeschneiderte biobasierte Inhaltsstoffe für eine wettbewerbsfähige Bioökonomie« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durch. Aufbauend auf den Erfolgen der ersten Phase »Aspirant« rückt der Verbund in »Perspective« die Produktion und Anwendung von Triterpenen verstärkt in den Fokus.
Triterpenoide sind im Pflanzenreich mit mehreren Tausend bekannten Verbindungen eine der größten Gruppe der Sekundärmetabolite. Das sind natürliche Stoffe, die von der Pflanze nicht für den primären Metabolismus im Wachstum, sondern für spezielle Aufgaben wie Abwehr von Schädlingen oder dem Anlocken von Bestäubern produziert werden. Aus sechs Isopren-Einheiten entstehen während der Biosynthese mehr als 100 verschiedene Triterpengerüste, die weiteren Modifikationen erfahren und so zu dieser enormen strukturellen Vielfalt führen. Von besonderem Interesse sind zyklische Triterpenoide – sie zeigen sehr vielseitige bioaktive Funktionen. Das Potential umfasst antimikrobielle, antioxidative, antikarzinogene, und antiallergische Wirkungen und macht sie daher attraktiv für landwirtschaftliche und pharmazeutische Anwendungen.
Die Gewinnung der Triterpenoide aus den produzierenden Pflanzen ist mit großen Herausforderungen verbunden: Ein Problem ist, dass diese Substanzen in den Pflanzen häufig nur in geringer Konzentration vorkommen. Zudem variieren, abhängig von den jeweiligen Umweltbedingungen wie Licht, Temperatur, Schädlingsbefall oder Bodenbeschaffenheit die Zusammensetzung und Mengen. Zusätzlich geht die Isolierung aus der pflanzlichen Biomasse oft mit erheblichem Energie- und Ressourcenverbrauch einher, dies wiederum steht einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Nutzung entgegen. Die chemische Synthese aus petrochemischen Rohstoffen wiederum kämpft mit der enormen Komplexität der Naturprodukte. Zudem führt sie zu einer Vielzahl an unerwünschten Nebenprodukten, die eine Isolierung erschweren. Alternative, nachhaltige Systeme zur Produktion und Aufreinigung werden im Sinne der Bioökonomie benötigt.
Eine vielversprechende Herstellungsvariante stellt die Biosynthese durch Hefezellen im Bioreaktor dar. Bereits im Startprojekt »Aspirant« setzte der Forschungsverbund auf diese Option. Ziel war die gerichtete Biosynthese von pharmazeutisch relevanten Terpenoiden in Hefen. Auf eine wissensbasierte Auswahl geeigneter Triterpenoide aus Pflanzen, erfolgten die Identifizierung der für die Biosynthese notwendigen Enzyme und deren Einbringen in Hefen. Die Enzyme Oxidosqualenzyklasen (OSCs) bilden aus dem natürlich in Hefen vorkommenden Substrat 2,3-Oxidosqualen das gewünschte Triterpenoid. Weitere enzymatische Modifikation wie Oxidationen oder der Einbau von Zuckerresten verändern dessen chemischen Eigenschaften und Bioaktivität. »Wir verwenden einen Hefestamm mit einem am Fraunhofer IME in Münster optimiertem Biosyntheseweg. Die Nutzung dieser Hefe-Plattform erhöhte die Produktivität und leitete den Stoffwechselfluss in Richtung des gewünschten Triterpenoids um. Der Erfolg spiegelte sich in einer drastisch gesteigerten Ausbeute wider. Zudem weisen die aufgereinigten Triterpenoide eine hohe Reinheit von mehr als 98 Prozent und konstante Qualität auf«, erzählt Boje Müller, Forschungsleiter von »Perspective« am Fraunhofer IME. In-vitro zeigten diese Substanzen positive Effekte auf inflammatorische Parameter: Beispielsweise in pharmazeutisch relevanten Testsystemen menschlicher Zellen entzündungshemmende Aktivität, aber auch neuartige Wirkungen.
Das Team des Forschungsverbunds, koordiniert durch das Fraunhofer IME, kombiniert Fachexpertise aus Chemie, Biologie, Verfahrenstechnik und Pharmazie und setzte sich aufbauend auf diesen Erfolgen auch in der zweiten Phase der Initiative »Maßgeschneiderte biobasierte Inhaltsstoffe für eine wettbewerbsfähige Bioökonomie« durch. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert über einen Zeitraum von drei Jahren das Folgeprojekt »Perspective«. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), des Fraunhofer IME sowie der KMUs VivaCell Biotechnology GmbH und Phytowelt GreenTechnologies GmbH bündeln für »Perspective« erneut ihre Kompetenzen, um gemeinsam die Schritte der Wertschöpfungskette weiter auszubauen und Triterpenoide als Grundlage von innovativen pharmazeutischen Produkten verwenden zu können.
»Mit den Triterpenoiden konnten nun bei Phytowelt für alle Klassen der Terpenoide fermentative Prozesse etabliert werden und damit das gesamte Spektrum dieser vielfältigen bioaktiven Produktklasse eröffnet werden«, berichtet Ira Lauer von Phytowelt.
»Mit »Perspective« werden wir solche FuE-Arbeiten vorantreiben, die in »Aspirant« das größte Potential zeigten. So offenbarten beispielsweise die Stoffwechselanalysen an der TU München verschiedene Optionen für die Optimierung der Triterpenoid Biosynthese in den zellulären »Fabriken« - den Hefen. Darüber hinaus wiesen die Ergebnisse unterschiedliche Wege der Modifikation der Fermentationsbedingungen zur weiteren Steigerung der Triterpenoid-Produktion auf«, erläutert Wolfgang Eisenreich von der TU München einige der Strategien für das Nachfolgeprojekt.
Basierend auf den Ergebnissen aus »Aspirant« erstellten die Forschenden eine Prioritätenliste, um über zielgerichtete Diversifizierung der Triterpenoide den spezifischen Anforderungen der pharmazeutischen oder kosmetischen Anwendungen zu entsprechen. Zusätzlich wird »Perspective« von Experten aus der Industrie begleitet, um eine nahtlose wirtschaftliche Verwertung der Ergebnisse zu ermöglichen.
Insgesamt wollen die Forschenden mit »Perspective« eine nachhaltige Wertschöpfung im Einklang mit der nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030, der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN SDGs) schaffen.