Wiederherstellung der Aktivität von Beta-Lactam-Antibiotika gegen multiresistente gramnegative Bakterien

Motivation und Problemstellung

© Fraunhofer IME | Kim Weigand
Stipendiat Chaoyi Hu überprüft die Expressionsbedingungen des Monobactam-Zielgens mittels qPCR
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Stipendiat Chaoyi Hu überprüft die Expressionsbedingungen des Monobactam-Zielgens mittels qPCR
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Stipendiatin Chaoyi Hu bei der Beobachtung des Bakterienwachstums

Antibiotika, insbesondere die β-Lactamklassen, sind ein Eckpfeiler der modernen Medizin. Da sie an die Penicillin-bindenden Proteine (PBPs) binden und so die Zellwandsynthese der Bakterien hemmen, sind β-Lactam-Antibiotika seit der Entwicklung des Penicillins eine wichtige Verteidigungslinie gegen Infektionen gewesen. Infolge des Antibiotika-Missbrauchs über ein halbes Jahrhundert hinweg haben die Bakterien jedoch unter dem evolutionären Druck Mechanismen erworben, die diesen Antibiotika entgegenwirken. Der zunehmende Anteil multiresistenter (MDR) Bakterienstämme bei menschlichen Infektionen gilt als eine der größten Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit im 21.

Unter den Mechanismen der antimikrobiellen Resistenz (AMR) ist die Produktion von β-Lactam-resistenten PBPs und β-Lactamasen von größter Bedeutung. β-Laktamasen sind Enzyme, die durch ihre Fähigkeit, den in diesen Antibiotika vorhandenen β-Laktamring zu hydrolysieren und sie damit unwirksam zu machen, eine Resistenz gegen β-Laktame verleihen. β-Lactamasen werden in Serin-Beta-Lactamasen (SBLs) und Metallo-Beta-Lactamasen (MBLs) unterteilt. MBLs sind in der Lage, fast alle β-Lactame zu hydrolysieren, einschließlich der Carbapeneme, die oft als letzte Antibiotika eingesetzt werden.

Erfreulicherweise werden Monobactame wie Aztreonam jedoch nicht zum Opfer von MBLs. Die starke Interferenz von Aztreonam mit PBPs in Verbindung mit seiner Stabilität gegenüber der Hydrolyse durch MBLs inspirierte die Entwicklung und Synthese neuartiger sulfonierter Monobactame als attraktive Leitstruktur für die Entwicklung von Wirkstoffkandidaten mit Aktivität gegen MDR-Erreger. Sulfonierte Monobactame sind jedoch kein von der Menschheit entwickeltes Konzept, sondern haben sich in der Natur entwickelt. Natürliche Monobactame mit strukturellen Ähnlichkeiten zu Aztreonam sind Sulfazecin und sulfonierte Monobactame, die von Stämmen des Phylum Bacteroidetes produziert werden.

Projektziel und Lösungsansatz

© Fraunhofer IME | Chaoyi Hu
Nitrocefin-Farbtest zum Nachweis von β-Lactam-Verbindungen

In diesem Projekt werden Genom-Mining-Strategien eingesetzt, um noch nicht zugewiesene biosynthetische Gencluster zu identifizieren, von denen man annimmt, dass sie sulfonierte Monobactame produzieren, und um sie durch fermentative Bioprozesse zugänglich zu machen. Beim Scannen von ~600 Bacteroidetes-Genomen wurde eine Reihe von noch nicht zugeordneten BGCs entdeckt, die Gene enthalten, von denen man annimmt, dass sie an der Monobactam-Biosynthese beteiligt sind. Die identifizierte BGC-Zusammensetzung deutet auf das Vorhandensein einer bisher unbekannten strukturellen Monobactam-Vielfalt innerhalb des Bacteroidetes-Stammes hin.

 

Das Projekt zielt darauf ab, das Monobactam-Potenzial der Natur zu erschließen, indem die Komplexität der mikrobiellen DNA mit Hilfe hochauflösender LC-MS-, MS/MS- und NMR-Technologien in neuartige Verbindungen übersetzt wird. Die isolierten Monobactame werden dann in drei Schlüsselbereichen profiliert: antimikrobielles Spektrum und Wirksamkeit, Hemmung der Beta-Lactamase und die Fähigkeit, der Beta-Lactamase-vermittelten Hydrolyse zu widerstehen. Mit Hilfe der synthetischen Biologie sollen die natürlichen Monobactame modifiziert werden, um strukturelle Variationen mit verbesserten Eigenschaften zu erzeugen, die das eskalierende Problem der Antibiotikaresistenz angehen.

Stammsammlung des Fraunhofer IME

Hessischer Rundfunk

Über 110000 Pilze und Bakterien lagern in eine der weltweit größten industriellen Stammsammlung im Fraunhofer IME in Gießen. Die Mikroorganismen können uns dabei helfen Infektionskrankheiten und Multiresistente Keime zu bekämpfen.

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Prof. Dr. Till Schäberle

Abteilungsleiter »Naturstoffforschung«

Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME
Ohlebergsweg 12, 35392 Gießen

Telefon +49 641 97219-140

 

Naturstoffforschung