Mikroorganismen zur Kontrolle phytopathogener Pilze

Ihre Herausforderungen

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Weizen
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Kartoffelpflanzen
© Fraunhofer IME | Dorothee Tegtmeier
Pilze unter dem Mikroskop

Forschungsmotivation

Durch die klimatischen Veränderungen unserer Zeit verstärken sich die Wetterextreme, was wiederum zu vieldimensionalem Pflanzenstress führt. Unter dem Einfluss langer Hitze- und Trockenperioden sowie Extremniederschlägen sind heimische und neue Pflanzenschädlinge auf dem Vormarsch. Hierzu gehören pilzliche Erreger, die die Ertragssicherung von Grundnahrungsmitteln im Öko- und konventionellen Landbau beeinträchtigen. Die Resistenzbildungen dieser Erreger konfrontieren die Landwirtschaft mit zunehmenden Problemen. Es braucht alternative antifugale Pflanzenschutzmittel.

 

Chancen und Herausforderungen der Landwirtschaft

Ca. 35 Prozent der Fläche Deutschlands werden für den Anbau von Agrarrohstoffen genutzt. Dabei erreicht die konventionelle Landwirtschaft hohe Erträge vor allem durch die Nutzung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel (csPSM) und Agrochemikalien und ist für nahezu die gesamte Belastung der Umwelt mit csPSM verantwortlich. Dies führt zu einem Verlust an Biodiversität, der Vernichtung von Lebensräumen und der Manifestation von Pestiziden in Nahrungsketten. Die kontinuierliche und einseitige Ausbringung dieser Mittel führt außerdem zu einem fehlgeleiteten Selektionsdruck, der die Bildung von Resistenzen in den jeweiligen Schadorganismen verursacht.

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, ist eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Systeme in Richtung einer bioökonomisch verträglichen, nachhaltigen Lebensmittelproduktion unumgänglich. In der »Zukunftsstrategie ökologischer Landbau« formuliert die Bundesregierung das Ziel, bis 2030 den organischen Landbau um mehr als das doppelte der zurzeit ökologisch bewirtschafteten Fläche zu erweitern.

Diese Anbauform erreicht jedoch durchschnittlich knapp 20 Prozent niedrigere Erträge als die konventionelle Landwirtschaft. Dazuhin unterliegt die Ertragsstabilität größeren Schwankungen. Folglich muss bei der Umgestaltung zu umweltverträglichen Agrarsystemen der ökologische Landbau seine Produktivität aufrechterhalten, wenn nicht sogar steigern und Resilienz gegenüber Klimawandel-assoziierten Faktoren aufbauen, um tragfähig zu sein.

Ein wesentlicher Faktor für Ertragsausfälle sind Pilzkrankheiten. Doch gerade dem ökologischen Landbau mangelt es an Bekämpfungsmitteln. Folglich besteht ein dringender Bedarf an geeigneten biobasierten Produkten zur Behandlung dieser Pilzkrankheiten. Die Entwicklung solcher Produkte muss auf einem wissenschaftlichen Fundament stehen, welches gewährleistet, dass ihre jeweilige Anwendung auf gesundheitlicher und ökologischer Ebene den Standards und Verordnungen der EU entspricht. 

 

Unsere Lösungen

© Rolf K. Wegst
Phd Studentin Joana Bauer während ihrer Arbeit im Labor
© Martin Joppen
Agarplatten
© Fraunhofer IME | Désirée Schulz
Über 110000 Pilze und Bakterien lagern in eine der weltweit größten industriellen Stammsammlung im Fraunhofer IME in Gießen. Die Mikroorganismen können uns dabei helfen Infektionskrankheiten und Multiresistente Keime zu bekämpfen.

Biokontrollmittel auf Naturstoffbasis als Lösung

Eine mögliche Lösung ist die Nutzung von Biokontrollmitteln, welche in der nachhaltigen Agrarproduktion als zukunftsweisende Technologie anerkannt sind. Biokontrollmittel sind Pflanzenschutzmittel, die nicht chemisch-synthetischen Ursprungs sind. Stattdessen werden sie in Form von isolierten Naturstoffen oder Stammpräparaten von Mikroorganismen zur Pflanzenstimulation und Pathogenabwehr ausgebracht.

Bereits verfügbare Biokontrollmittel mit antagonistischer Wirkung gegen Pilzkrankheiten basieren auf bakteriellen oder pilzlichen Stämmen. Diese Präparate beinhalten u. a. Bacillus spp. und Actinomyceten als aktive Bestandteile und wirken auf Basis derer natürlicher Mechanismen. Diese Bakteriengruppen eint ein komplexer Entwicklungszyklus, der in der Bildung von Sporen mündet, um raue Umweltbedingungen zu überstehen. Mikroorganismen, die hitze- und austrocknungsresistente Sporen produzieren, bieten eine natürliche Lösung für die Formulierung und erleichtern damit einen wichtigen Schritt in der Entwicklung vom lebenden Organismus zum Produkt.

Beide bodenlebenden Organismengruppen sind Produzenten einer Vielfalt von bioaktiven Naturstoffen, darunter Substanzen, welche die Pflanzengesundheit fördern. Zugleich sind Stämme dieser Bakteriengruppen jedoch auch bekannte Produzenten medizinassoziierter Naturstoffe wie Antibiotika oder toxischer Verbindungen. Die Anwendung humanmedizinisch relevanter Wirkstoffe in der Landwirtschaft widerspricht jedoch den gängigen Auffassungen der Wissenschaft und muss im Hinblick auf Resistenzentwicklung unbedingt vermieden werden. Toxische Stoffe wie Insektizide oder Herbizide können darüber hinaus verheerende Auswirkung auf die empfindlichen Ökosysteme der Agrarlandschaft haben. Potenzielle Produzentenstämme haben somit ein vielfältiges Eigenschaftsprofil, welches es im Falle einer Nutzung auf dem Feld zu ermitteln gilt.

Das veröffentlichte Wissen über metabolische Potenziale von solchen Stämmen, die bereits in Biokontrollmitteln zum Einsatz kommen, ist mangelhaft. Auch ist das Spektrum an genutzten Stämmen nicht zufriedenstellend.

Für eine sichere Anwendung solcher Produkte im Agrarsektor ist es jedoch ausschlaggebend zu erkennen, welche spezifischen Wirkmechanismen deren Funktionalität bedingen. So lässt sich das Risiko für die Umwelt und uns Menschen auf wissenschaftlicher Grundlage bewerten und auch die Gefahren für Resistenzentwicklungen ermitteln.

 

Stammsammlung des Fraunhofer IME: eine wertvolle Ressource für die Erschließung antifungaler Naturstoffe

In einem dreiphasigen Projekt werden Actinomyceten und Bakterien der Gattung Bacillus aus der 120 000 Mikroorganismen umfassenden Stammsammlung des Fraunhofer IME in Gießen auf eine potenzielle antifungale Aktivität gegen die Septoria-Blattdürre im Weizen und die Colletotrichum-Welke in der Kartoffel geprüft.

Geleitet durch antifungale Bioaktivitätsdaten, wird durch Metabolomik-Technologien zunächst das gesamte Stoffwechselprofil eines jeden aktiven Stammes bewertet und die antifungal wirksame Substanz identifiziert. Gemeinsam mit der Genomik-getriebenen Analyse der Biosynthesepotenziale kann so die Produktion von pflanzenwachstumsfördernden Substanzen wie Phytohormonen, Komplexbildnern oder organische Säuren, sowie die Produktion von ungewünschten Metaboliten untersucht werden.

So werden Stämme mit risikoarmem Eigenschaftsprofil identifiziert und als Stammpräparate oder reine Naturstoffe auf ihre toxischen Eigenschaften überprüft.

In abschließenden Pflanzenexperimenten wird dann das Potenzial für die Anwendung als Biokontrollmittel beurteilt.

Durch diesen Prozess kann eine umfassende Risikoeinschätzung potenzieller Biokontrollstämme vorgenommen werden, bevor ihre Anwendung als Biokontrollmittel für weitere Schritte im Bereich der Ökolandbauforschung in Betracht kommt.

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Bei Interesse an einer Kollaboration oder einer Forschungs- und Entwicklungsleistung kontaktieren Sie uns!

Prof. Dr. Till Schäberle

Abteilungsleiter »Naturstoffforschung«

Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME

Telefon +49 641 97219-140

 

Naturstoffforschung