Genetisch Modifizierte Medizinische Seide

Motivation und Problemstellung

© Fraunhofer IME | Daniel Brady
Weibliche (links) und männliche (rechts) Seidenkokons und Puppen.
© Fraunhofer IME | Daniel Brady
Frisch geschlüpfte Seidenraupe
© Fraunhofer IME | Jennifer Kuhn
Erwachsener Seidenspinner

Dinge im Inneren des menschlichen Körpers zu verkleben, ist keine einfache Aufgabe. Wer schon einmal versucht hat, ein Pflaster auf feuchter Haut zu befestigen, weiß, wie frustrierend das sein kann. In der Chirurgie müssen Ärzte häufig Gewebe wieder verbinden oder innere Wunden in feuchter Umgebung verschließen. In der Regel finden Nähte und Klammern Verwendung. Obwohl ein medizinischer Kleber schneller, sanfter und anpassungsfähiger wirken würde, halten bestehende Klebstoffe oft nicht gut, sind giftig für das Gewebe oder haften schlecht auf feuchten Oberflächen. Andere sind sicherer, aber schwach und unzuverlässig. Die Folgen können schwerwiegend sein – nach einer Bauchoperation etwa kommt es bei bis zu jedem fünften Patienten zu inneren Leckagen an der Operationsstelle. Es ist also klar: Bessere medizinische Klebstoffe werden dringend gebraucht.

Die Natur könnte die Lösung bereits bereithalten. Einige Tiere produzieren wasserdichte Seide, die wie Klebeband unter Wasser funktioniert. Diese natürlichen Klebstoffe sind stark, härten schnell aus und haften hervorragend auf feuchten Oberflächen – genau das, was Chirurgen suchen. Das Problem: Diese Insekten sind klein und lassen sich nicht in nennenswerter Menge für die Ernte ihrer klebrigen Seide züchten. Aber was wäre, wenn wir Seiden produzierende Insekten dazu befähigen könnten?

Projektziel und Lösungsansatz

© Fraunhofer IME | Daniel Brady
Srinithi Kirubakaran (MSc-Studentin) bereitet Seidenraupen für die Analyse vor.
© Fraunhofer IME | Daniel Brady
Doktorandin Franziska Lai führt Mikroinjektionen an Seidenraupeneiern durch.
© Fraunhofer IME | Daniel Brady
Seidenraupenlarve mit sichtbarem Seidenfaden (roter Pfeil) aus der Spinndrüse.

Genau das ist das Ziel von GEMSilk – Genetisch Modifizierte Medizinische Seide (Genetically Engineered Medical Silk). Finanziert von Horizon Europe im Rahmen eines Marie Skłodowska-Curie-Postdoktorandenstipendiums – einem der Flaggschiff-Förderprogramme der EU – verfolgt GEMSilk einen innovativen Ansatz: Die Hausseidenraupe wird mit der CRISPR/Cas9-Technologie so verändert, dass sie eine neue Art von Seide produziert, die als biokompatibler medizinischer Klebstoff dient. Gefördert durch das Marie Skłodowska-Curie-Programm baut das Projekt auf der vorhandenen Expertise des Forschers Dr. Daniel Brady auf, der sich schon vorher mit der genetischen Modifikation von Seidenraupen zur Förderung nachhaltiger kommerzieller Seidenproduktion beschäftigte. Unter der Leitung von Prof. Philipp Seib, dessen Forschung Biopolymere und Innovationen im Gesundheitswesen verbindet, vereint das Projekt Gentechnik und Materialwissenschaft, um die nächste Generation von Seidenklebstoffen zu entwickeln. Unterstützt wird das Projekt zudem von der Doktorandin Franziska Lai und der MSc-Studentin Srinithi Kirubakaran.

Nach den Prinzipien der Bionik – also dem Lernen von der Natur zur Lösung menschlicher Herausforderungen – will das Team eine nachhaltige und skalierbare Quelle für medizinische Klebstoffe schaffen. Dabei verschmelzen Biologie, Biotechnologie und Materialwissenschaft, um einen langjährigen klinischen Bedarf zu decken.

Die Ziele von GEMSilk gehen über einen einzelnen medizinischen Klebstoff hinaus. Das Projekt schafft eine Plattform für bioinspirierte Materialien. Mit unterschiedlichen genetischen Bauplänen könnten Seidenraupen künftig verschiedenste Materialien spinnen – von chirurgischen Klebstoffen über Hochleistungsfasern bis hin zu bioaktiven Beschichtungen.

Zudem bietet die Seidenraupe eine skalierbare Produktionsmethode. Eine kleine Zuchtanlage kann Tausende von Kokons erzeugen – jeder mit einem Kilometer Seidenfaden. Die Infrastruktur für die Seidenraupenzucht ist in vielen Teilen der Welt bereits vorhanden. Die im Rahmen von GEMSilk verwendeten genetischen Veränderungen sind so gestaltet, dass sie sich problemlos in dieses System integrieren lassen. Der Seidenkleber könnte also in kommerziellen Mengen mit traditionellen Methoden produziert werden.

Die Forschung trägt auch zur Mission des Fraunhofer IME bei, Insekten in der Biotechnologie zu fördern. GEMSilk hat zur Entwicklung neuer Mikroinjektionslabore, Geneditierungsprotokolle und eines erweiterten Know-hows geführt. Diese Fortschritte stärken die Fähigkeit des Instituts zur Entwicklung biobasierter Materialien und erweitern sein Potenzial in der angewandten Forschung.

Weitere Informationen

 

GEMSilk-Projekt – Pionierarbeit an medizinischen Seiden-Biopolymeren

 

 

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Wir Begutachten gemeinsam ihre Fragestellung und evaluieren, ob wir diese mit unserer Plattform und unseren Analysemethoden adressieren können.

Dr. Daniel Brady

Gruppenleiter

Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME
Ohlebergsweg 12
35392 Gießen

Telefon +49 641 97219-305

 

Biodiversitätsforschung

 

 

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