

Die nächste Generation medizinischer Klebstoffe: Seide, die heilt
Dinge im Inneren des menschlichen Körpers zu verkleben, ist keine einfache Aufgabe. Wer schon einmal versucht hat, ein Pflaster auf feuchter Haut zu befestigen, weiß, wie frustrierend das sein kann. In der Chirurgie müssen Ärzte häufig Gewebe wieder verbinden oder innere Wunden in feuchter Umgebung verschließen – doch bestehende medizinische Klebstoffe halten oft nicht gut. Nähte und Klammern sind weiterhin Standard – aber wäre ein Kleber nicht schneller, sanfter und anpassungsfähiger?
Leider sind viele der aktuellen chirurgischen Klebstoffe alles andere als ideal. Manche sind stark, aber giftig für das Gewebe und haften schlecht auf feuchten Oberflächen. Andere sind sicherer, aber schwach und unzuverlässig. Die Folgen können schwerwiegend sein – nach einer Bauchoperation etwa kommt es bei bis zu jedem fünften Patienten zu inneren Leckagen an der Operationsstelle. Es ist also klar: Bessere medizinische Klebstoffe werden dringend gebraucht.
Die Natur könnte die Lösung bereits bereithalten. Einige Tiere produzieren wasserdichte Seide, die wie Klebeband unter Wasser funktioniert. Diese natürlichen Klebstoffe sind stark, härten schnell aus und haften hervorragend auf feuchten Oberflächen – genau das, was Chirurgen suchen. Das Problem: Diese Insekten sind klein und lassen sich nicht in nennenswerter Menge für die Ernte ihrer klebrigen Seide züchten. Aber was wäre, wenn wir Seiden produzierende Insekten dazu befähigen könnten?
Genau das ist das Ziel von GEMSilk – Genetisch Modifizierte Medizinische Seide (Genetically Engineered Medical Silk). Finanziert von Horizon Europe im Rahmen eines Marie Skłodowska-Curie-Postdoktorandenstipendiums – einem der Flaggschiff-Förderprogramme der EU – verfolgt GEMSilk einen innovativen Ansatz: Die Hausseidenraupe wird gentechnisch so verändert, dass sie eine neue Art von Seide produziert, die als biokompatibler medizinischer Klebstoff dient. Gefördert durch das Marie Skłodowska-Curie-Programm baut das Projekt auf der vorhandenen Expertise des Forschers auf, der sich schon vorher mit der genetischen Modifikation von Seidenraupen zur Förderung nachhaltiger kommerzieller Seidenproduktion konzentrierte. Unter der Leitung von Prof. Philipp Seib, dessen Forschung Biopolymere und Innovationen im Gesundheitswesen verbindet, vereint das Projekt Gentechnik und Materialwissenschaft, um die nächste Generation von Seidenklebstoffen zu entwickeln. Unterstützt wird das Projekt zudem von der Doktorandin Franziska Lai und der MSc-Studentin Srinithi Kirubakaran.
Nach den Prinzipien der Bionik – also dem Lernen von der Natur zur Lösung menschlicher Herausforderungen – will das Team eine nachhaltige und skalierbare Quelle für medizinische Klebstoffe schaffen. Dabei verschmelzen Biologie, Biotechnologie und Materialwissenschaft, um einen langjährigen klinischen Bedarf zu decken.