Entwicklung molekularer Marker als Werkzeuge für die Züchtung von anthozyanhaltigen Kartoffeln

Bunte Kartoffeln sind nicht nur schön anzusehen, sondern auch gesundheitsfördernd, da sie im Gegensatz zu ihren blassen Artgenossen größere Mengen an farbigen, sekundären Pflanzenstoffen enthalten, sogenannte Anthozyane. Um diese möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, wurden im Projekt »MoMaPo« (Molecular markers for the generation of potatoes with enhanced anthocyanin content) molekulare Werkzeuge zur gezielten Züchtung derartiger Kartoffeln entwickelt.

© Fraunhofer IME | Birgit Orthen
© Fraunhofer IME | Birgit Orthen

Sekundäre Pflanzenstoffe in der menschlichen     Ernährung

Selbst in Industrienationen mit ausgezeichnetem Nahrungsangebot und -vielfalt ist der Obst- und Gemüsekonsum oft relativ gering und liegt weit unter international empfohlenen  Mengen. Den größten Teil unserer Ernährung decken wir mit wenigen Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mais, Weizen und Kartoffeln. Eine überwiegend auf Pflanzen basierende menschliche Ernährung kann, insbesondere wenn sie auf Obst  und Gemüse fußt, einen wertvollen Beitrag zur menschlichen Gesundheit leisten, da pflanzliche Nahrung neben den klassischen Makronährstoffen Kohlenhydrate, Proteine und Fette immer auch sekundäre Pflanzenstoffe enthält.

Sekundäre Pflanzenstoffe sind organische Verbindungen, die meist in spezialisierten Zellen vorkommen, wo sie für die gesamte Pflanze eine wichtige Rolle spielen: Z. B. beim Schutz  vor Fressfeinden oder durch ihre attraktive Färbung. Eine Vielzahl der sekundären Pflanzenstoffe hat auch positive Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, was Wissenschaftler zu nutzen wissen. So basieren beispielsweise viele Pharmazeutika auf pflanzlichen Sekundärmetaboliten. Aber auch heute liegen die Wirkmechanismen einiger sekundärer Pflanzenmetabolite noch im Dunkeln.
Eine große Gruppe sekundärer Pflanzenstoffe sind die wasserlöslichen Anthozyane,       die zur Gruppe der Flavonoide gehören. Man findet sie im  Zellsaft nahezu aller höheren Pflanzen. Meistens kommen sie in den Blüten und Früchten vor, wo sie für die teils intensive rote, violette oder blaue Färbung verantwortlich sind. Daher kommt auch ihr Name. Er besteht aus zwei Teilen: Ánthos, dem altgriechischen Wort für Blüte oder Blume und kyáneos, dem altgriechischen Wort für dunkelblau bzw. dunkelfarben. In Pflanzen erfüllen Anthozyane drei Hauptaufgaben: Sie absorbieren das kurzwellige UV-Licht der Sonne und geben die Strahlungsenergie als Wärme wieder ab. So werden Proteine und DNA Moleküle in den Zellen vor der schädlichen Wirkung der UV-Strahlen geschützt. Außerdem werden durch die intensive Färbung Insekten und andere Tiere angelockt. Sie sorgen für die Vermehrung und Verbreitung der Pflanze. Des Weiteren haben Anthozyane eine starke antioxidative Wirkung. Ist die Pflanze oxidativem Stress ausgesetzt, entstehen u. a. freie Radikale, die mit Sauerstoffmolekülen zu reaktiven Sauerstoffradikalen reagieren und einen negativen Einfluss auf den Stoffwechsel der Pflanze haben. Freie Radikale stehen auch beim Menschen in Verdacht mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung zu stehen. Anthozyane sind in der Lage freie Radikale unschädlich zu machen und daher werden ihnen gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. So konnte in Studien an Mensch und Tier gezeigt werden, dass Anthozyane anti-entzündliche, anti-virale und anti-kanzerogene Eigenschaften besitzen. Außerdem wurden positive Effekte auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit, erhöhte Cholesterinwerte und Gedächtnisleistung beobachtet.

Die meisten Grundnahrungsmittel, wie zum Beispiel Weizen oder Reis, sind relativ arm an Anthozyanen, sodass Obst und Gemüse derzeit die Hauptquellen für Anthozyane in der menschlichen Ernährung darstellen. Die Kartoffel bildet hier eine Ausnahme, da es, neben den gelb- und weißfleischigen auch alte, weniger bekannte blau- und rotfleischige Kartoffelsorten gibt, deren Farbe auf das Vorkommen von Anthozyanen zurückzuführen ist. Insbesondere in Südamerika sind noch viele gefärbte alte Landrassen zu finden, die für die Züchtung moderner leistungsfähiger Kartoffelsorten mit hohem Gehalt an Anthozyanen genutzt werden können.

© Fraunhofer IME | Birgit Orthen
© Fraunhofer IME | Birgit Orthen
© Fraunhofer IME | Birgit Orthen

Kartoffelzüchtung mit molekularen Werkzeugen

Die Kartoffelzüchtung ist ein komplexer Prozess und insbesondere die Genetik quantitativer Merkmale, wie der Anthocyangehalt im Knollenfleisch, ist schwer aufzulösen. Neue Sorten werden durch Kombinationszüchtung entwickelt, indem zwei Sorten oder Klone mit gewünschten Eigenschaften gekreuzt werden. Der Kreuzungs- und Selektionsprozess zur Züchtung einer neuen Kartoffelsorte auf klassischem Wege dauert etwa zehn Jahre.

Durch den Einsatz molekularer Marker für verschiedene Merkmale kann dieser Prozess jedoch erheblich verkürzt werden. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Selektionsprozess können diejenigen Nachkommen ausgewählt werden, die die gewünschten Merkmale ausprägen werden. So lassen sich beispielsweise Pflanzen auswählen, die gegen bestimmte Krankheiten resistent sind, ohne dass aufwändige Resistenztests im Feld oder Gewächshaus durchgeführt werden müssen. Ein solches Vorgehen nennt man markergestützte Selektion oder auch »Smart Breeding«. Für bestimmte Merkmale ist der Einsatz solcher Marker unerlässlich. Kreuzt man z.B. farbige Landsorten mit ungefärbten Elitesorten, so kann es zu ungefärbten Nachkommen kommen, da wichtige Allele für die Anthocyanproduktion abspalten werden. Um das Merkmal hoher Anthocyangehalt wieder zu erhalten, müssen später in weiteren Kreuzungen Linien mit verschiedenen komplementären Allelen kombiniert werden. Daher ist es notwendig, solche vorteilhaften Allele auf molekularer Ebene zu identifizieren, um das notwendige Werkzeug für diese Züchtung bereitzustellen, was das Ziel des binationalen Kooperationsprojektes »MoMaPo« ist. Die beteiligten Partner Universidad Austral de Chile, Fraunhofer Chile Research und Fraunhofer IME konnten dabei auf die Kartoffelgenbank der Universidad Austral de Chile zurückgreifen, die die außergewöhnlich große Biodiversität der chilenischen Kartoffel repräsentiert. Ein wichtiger Teil dieser Genbank sind die auf der Insel Chiloe gesammelten Kartoffeln, die sich durch eine besonders große Diversität im Merkmal der gefärbten Knollen auszeichnen. 290 dieser Pflanzen wurden auf potentielle Marker für einen erhöhten Anthocyangehalt untersucht. Die erhaltenen Ergebnisse wurden anschließend bioinformatisch mit dem ermittelten Anthocyangehalt verknüpft, so dass molekulare Marker identifiziert werden konnten, die zukünftig für die Züchtung von Hochleistungssorten mit farbigem Knollenfleisch eingesetzt werden können.

Das Projekt wurde gefördert durch


das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme Wissenschaftlich-Technologische Zusammenarbeit (WTZ) mit Chile

Partner
 

 

  • Universidad Austral de Chile
  • Fraunhofer Chile Research - Center for Systems Biotechnology

 

Ausgewählte Publikation

 

Solís et al. Allelic diversity of three anthocyanin synthesis genes in accessions of native Solanum tuberosum L. ssp. tuberosum at the Potato Genebank of the Universidad Austral de Chile. Genet Resour Crop Evol (2021)

 

 

 

 

Weitere Projekte

rund um die Kartoffel