Kombination von virtuellem und natürlichem Screening bei der Suche nach Medikamenten gegen COVID-19

Translationale Medizin /

Das Fraunhofer IME bildet die entscheidende Schnittstelle zwischen Biologen und Informatikern im EU-geförderten Konsortium E4C zur Entwicklung von Medikamenten gegen das Corona-Virus.

© Fraunhofer IME | Bernd Müller
© Fraunhofer IME | Bernd Müller

FRANKFURT. Das Konsortium Exscalate4CoV (E4C), zu dem sich 18 Partner aus sieben europäischen Ländern zusammengeschlossen haben, um Medikamente gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 zu finden, erhält 3 Millionen Euro aus dem Soforthilfe-Fond der Europäischen Kommission für dringende Forschungsarbeiten zur Bekämpfung der Epidemie. Der Bereich Translationale Medizin des Fraunhofer IME spielt in diesem Konsortium, das avancierte Screening- und Informationstechnologien anwendet, eine Schlüsselrolle. Das öffentlich-private Konsortium E4C wird von dem italienischen Unternehmen Dompé farmaceutici S.p.A geleitet, dessen in silico-Plattform Exscalate ein ultraschnelles virtuelles Screening von potenziellen Arzneimitteln gegen Pathogene erlaubt.

Im Rahmen des Projekts werden Virologen des E4C-Konsortiums im Virusgenom codierte Proteine charakterisieren, die für die Replikation des SARS-CoV-2 essenziell sind. Daran anknüpfend, werden Informatiker von Dompé voraussagen, welche Substanzen an diese Zielproteine binden könnten, um die Vermehrung des Virus zu hemmen. Um aus diesen »Treffern« die vielversprechendsten Substanzen herauszufiltern, wird das Fraunhofer-Projektteam diese anschließend auf seinen automatisierten Roboter-Screening-Plattformen systematisch testen, während Strukturbiologen anderer E4C-Partner die Interaktion zwischen den chemischen Treffern und ihren viralen Zielstrukturen exakt bestimmen werden. So fungiert das Fraunhofer IME als zentrales Bindeglied zwischen den Biologen und den Informatikern des Konsortiums. Das Fraunhofer IME ist auch für das Datenmanagement innerhalb des Konsortiums und für die fristgerechte »open access«-Publikation von dessen Resultaten verantwortlich.

Die E4C-Partner werden darüber hinaus die Wirksamkeit von Medikamenten, die in der klinischen Praxis bereits verfügbar sind, für die Behandlung von COVID-19-Patienten testen. Auf solche »Repurposing«-Forschung ist das Fraunhofer IME seit langem spezialisiert. Es verfügt für diese Zwecke über eine Bibliothek aus 5400 Substanzen, die bereits in 600 Indikationen Anwendung gefunden haben und ein hochauflösendes automatisches Zell-Imaging-System für High-Content-Screening. Zusammen mit Wissenschaftlern der belgischen Universität Löwen wird das Fraunhofer-Team diese Substanzen im Rahmen von E4C screenen, um Medikamente zu identifizieren, die entweder direkt mit dem Virus interagieren oder die Abwehrmechanismen der humanen Wirtszellen stärken. »Mit dieser Strategie nutzen wir unsere profunde Erfahrung existierende Medikamente auf zusätzliche Indikationsgebiete hin zu überprüfen«, sagt Dr. Philip Gribbon vom Screening Port der Abteilung für Translationale Medizin des Fraunhofer IME. »Wir halten das für einen vielversprechenden Ansatz, um so schnell wie möglich ein wirksames Arzneimittel für COVID-19-Patienten zu finden.«

»Behandlungsmöglichkeiten gegen das neue Coronavirus zu finden, ist ein enorm schwieriges Unterfangen«, fügt Prof. Dr. Dr. Gerd Geisslinger, geschäftsführender Institutsleiter und Bereichsleiter Translationale Medizin des Fraunhofer IME hinzu. »Angesichts der wissenschaftlichen Exzellenz unseres Teams nehmen wir die Herausforderung an, um für die von COVID-19 betroffenen Menschen durch unsere Forschung tatsächlich etwas bewirken zu können«.