Antimikrobielle Peptide aus der Schwarzen Soldatenfliege zur Konservierung von Lebens- und Futtermitteln

© Fraunhofer IME | Jeanny Jerschow-Schaumann
Larven der Schwarzen Soldatenfliege
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Schwarze Soldatenfliegen
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Insektenwurst

Forschungsmotivation

Weltweit erkranken jährlich mehr als 600 Millionen Menschen an einer lebensmittelbedingten Infektion. Antimikrobielle Peptide (AMPs) aus Insekten, wie Hermetia illucens, sind eine vielversprechende Möglichkeit, die Sicherheit und Haltbarkeit von Produkten zu verbessern, um diese hohe Zahl zu reduzieren. Einige Strukturklassen zeigen eine ausgeprägte Aktivität gegen gramnegative Lebensmittelpathogene. Aufgrund der Abhängigkeit zwischen der Ernährung der Larven und der AMP-Expression können vielversprechende AMPs durch gezielte Auswahl an Nebenströmen aus der Lebensmittelindustrie erzeugt werden. 

 

Lebensmittelverderb

Lebensmittelverderb führt durch mikrobielles Wachstum zu einer Beeinträchtigung der Lebensmittelqualität, die für den Verbraucher inakzeptabel ist. Der Verlust von Lebensmitteln durch Verderb hat erhebliche ökologische und ökonomische Auswirkungen, wie z. B. die Verschwendung von Wasser- und Energieressourcen oder CO2-Emissionen. Darüber hinaus können verdorbene Lebensmittel durch Mikroorganismen oder deren Toxinbildung lebensmittelbedingte Erkrankungen auslösen. Um dies zu verhindern, werden derzeit chemische Konservierungsstoffe eingesetzt, um eine längere Haltbarkeit zu erreichen. Diese Zusatzstoffe haben jedoch häufig ein breites Wirkspektrum gegen Mikroorganismen und wirken daher nicht spezifisch gegen eine Zielgruppe. Der Zusatz dieser meist chemisch synthetisierten Konservierungsstoffe wird von den Verbrauchern eher kritisch gesehen, weshalb alternative, natürliche Verbindungen von großem Interesse sind. Darüber hinaus trägt die Substitution petrochemischer Rohstoffe bei der Herstellung herkömmlicher Konservierungsstoffe (wie Benzoesäure und Parabene) durch nachhaltige biotechnologische Verfahren dazu bei, die Ziele der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 zu erreichen.

 

Antimikrobielle Peptide

Antimikrobielle Peptide (AMPs) stellen in dieser Hinsicht eine attraktive Alternative zu herkömmlichen Konservierungsstoffen dar. AMPs sind eine Klasse natürlicher und synthetischer Peptide mit einem breiten Wirkspektrum gegen Organismen wie Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten. Strukturell gesehen sind AMPs kurze Peptide, die aus weniger als 50 Aminosäuren bestehen. Sie sind meist kationisch, amphipathisch und enthalten viele hydrophobe Aminosäuren. Sie stammen aus einer Vielzahl tierischer und pflanzlicher Quellen, können aber auch von Bakterien oder Pilzen gebildet werden.

Aufgrund ihrer starken Hemmwirkung auf gramnegative lebensmittelassoziierte Krankheitserreger können AMPs auch dazu beitragen, den Verderb von Lebens- und Futtermitteln zu minimieren und das Risiko lebensmittelbedingter Infektionen oder Vergiftungen für Verbraucher und Nutztiere zu senken. Die Produktsicherheit und Haltbarkeit von Lebens- und Futtermitteln kann durch den Zusatz von natürlichen AMPs deutlich verbessert werden. Der gezielte Einsatz von AMPs gegen gramnegative Hygienekeime wie Campylobacter, EHEC oder Salmonella, während grampositive, nützliche Bakterien wie Milchsäurebakterien nicht angegriffen werden, ist ein Alleinstellungsmerkmal und stellt eine echte Innovation im Bereich der Lebensmittelsicherheit dar. Neben der antimikrobiellen Wirkung können sie ebenfalls antiviral, antikarzinogen, antimykotisch und antiparasitär wirken. Aufgrund dessen sind sie auch von besonderem Interesse bei der Suche nach neuen antimikrobiellen Wirkstoffen, um beispielsweise der zunehmenden Arzneimittelresistenz entgegenzuwirken.

 

Antimikrobielle Peptide aus Insekten

Insekten können sich der Umwelt sehr gut anpassen und verfügen über eine Vielzahl an Verteidigungsstrategien. Eine dieser Strategien als Teil des angeborenen Immunsystems von Insekten ist die Produktion und anschließende Sekretion von AMPs als Abwehrmechanismus gegen bakterielle Infektionen. Eine Vielzahl natürlicher AMPs wird daher in der Hämolymphe und im Körpergewebe einer großen Zahl von Insektenarten produziert. Die Schwarze Soldatenfliege, Hermetia illucens, ist dafür bekannt, eine große Anzahl verschiedener AMP-Klassen zu besitzen.

Eine vielversprechende Klasse von AMPs sind die Cecropine. Strukturell zeichnen sich Cecropine durch zwei a-Helixstrukturen ohne Cysteinreste aus, die über eine flexible Scharnierregion miteinander verbunden sind.  Sie besitzen eine hohe Wirksamkeit gegen gramnegative Bakterien, wie Escherichia coli, Salmonella enterica oder Pseudomonas aeruginosa bei gleichzeitig geringer Toxizität gegenüber Säugetierzellen. Die Wirksamkeit beruht auf der Interaktion mit der Bakterienmembran nach dem so genannten »carpet«-Modell. Die Peptide lagern sich in einer teppichartigen Struktur auf der Membranoberfläche an, wodurch die Membran ihre Integrität verliert. Als Folge löst sich die Membran unter Mizellenbildung auf. Hierbei zerfällt die Membran in kleine Bereiche, die von den Peptideinheiten ausgekleidet werden.

 

Verwertung von Nebenströmen als Futter

Hermetia illucens Larven produzieren in Abhängigkeit von der Zusammensetzung ihres Futters ein unterschiedliches Spektrum an AMPs. Durch die Fütterung der Larven mit spezifischen Substraten aus der Lebensmittelindustrie können geeignete AMPs produziert werden, welche in bestehende Prozesse der Lebens- und Futtermittelproduktion integriert werden können. Um dies zu nutzen, werden die AMPs durch Fütterung der Larven mit verschiedenen biogenen Nebenströmen aus dem Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main produziert. Unter anderem werden die Larven hier mit Biertreber, Apfeltrester oder Kakaobohnenschalen gefüttert und mit einer Standarddiät bestehend aus Hühnerfutter verglichen. Durch den Vergleich der AMP-Spektren kann eine gezielte Diät ausgewählt werden, die in den Larven vor allem AMP-Klassen produziert, die eine bakterizide Aktivität gegen gramnegative Hygienekeime aufweisen und gleichzeitig die in der Lebensmittelindustrie üblichen (grampositiven) Starterkulturen nicht beeinträchtigen.

Zur Gewinnung der AMPs aus den H. illucens Larven wird eine Extraktion mit anschließender Aufreinigung durchgeführt. Die gewonnenen Peptide werden identifiziert, auf ihre konservierende Wirkung getestet und anschließend ihre technologischen und sensorischen Eigenschaften beschrieben. Alternativ werden ausgewählte Peptide in einem geeigneten Expressionssystem rekombinant produziert und analog analysiert.

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Prof. Dr. Holger Zorn

Stv. Institutsleiter & Abteilungsleiter »Food & Feed Improvement Agents«

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Prof. Dr. Martin Rühl

Stellv. Abteilungsleiter »Food & Feed Improvement Agents«

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