MICROSOIL – Einflüsse von Chemikalien auf Bodenmikroorganismen umfassender bewerten

Die Bodengesundheit ist ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige Landwirtschaft und muss erhalten und gefördert werden. Bodenmikroorganismen sind integrale Bestandteile des Bodens und spielen eine wesentliche Rolle in biogeochemischen Kreisläufen von Nährstoffen wie Kohlenstoff, Stickstoff oder Phosphor. Sie fördern den Abbau organischer Substanz und damit die Humusbildung und sind entscheidend für die Aufrechterhaltung der Bodengesundheit. Landwirtschaftliche Böden sind vielfältigen Belastungen durch Chemikalien wie Pflanzenschutzmitteln, Bioziden oder Veterinärpharmazeutika ausgesetzt. In der Folge kann die Resilienz und damit die Fähigkeit der Bodenmikroorganismen auf Stressoren wie auch den Klimawandel zu reagieren deutlich abnehmen. Entsprechend ist es ein Anliegen der Europäischen Kommission, den Leitfaden zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für Bodenorganismen zu aktualisieren.

 

Um das grundlegende Schutzziel »Erhalt der biologischen Vielfalt im Boden« auch für Mikroorganismen zu erreichen, hat das Fraunhofer IME in Kooperation mit dem Umweltbundesamt (UBA) das Projekt MICROSOIL durchgeführt. Ziel des Projekts war es aussagekräftige Testsysteme und Endpunkte zu identifizieren, um die Bewertung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln, Bioziden und Tierarzneimitteln auf Mikroorganismen in landwirtschaftlichen Böden realistisch abzubilden.

Es wurden drei Forschungsziele von Seiten des Umweltbundesamtes formuliert:

  • Identifikation von geeigneten Methoden zur Erfassung von Veränderungen der Bodenfunktion und der Struktur des Bodenmikrobioms, also der Gemeinschaft aus Bakterien, Pilzen und Archaeen
  • Untersuchung der Auswirkungen von Antibiotika in Tierarzneimitteln auf die Entwicklung von Resistenzgenen bei Bodenmikroorganismen
  • Untersuchung des Einflusses von Mehrfachanwendungen von Pflanzenschutzmitteln und Hintergrundbelastungen auf den mikrobiellen Schadstoffabbau in Böden

 

Auswirkungen auf Funktion und Struktur von mikrobiellen Bodengemeinschaften

Bei der aktuellen Risikobewertung für Pflanzenschutzmittel wird davon ausgegangen, dass die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden und ihre Ökosystemleistungen nicht gefährdet sind, wenn die vorhergesagte Umweltkonzentration nach 100 Tagen Stickstoff-Transformation (OECD Richtlinie 216) nicht mehr als 25 % beeinträchtigt. Auf Basis einer Literaturrecherche wurden fünf Methoden identifiziert, die geeignet erscheinen den momentan regulatorisch relevanten Test, die Stickstoff-Transformation, in einer Umweltrisikobewertung zu ersetzen oder zu ergänzen. Die Empfindlichkeit der einzelnen Methoden wurde mit sechs Testsubstanzen in drei natürlichen Referenzböden untersucht. Auf Grundlage unserer Ergebnisse wird empfohlen, die Risikobewertung der ersten Stufe um eine zusätzliche Testmethode zur Enzymaktivität (ISO 20130: Messung von Enzymaktivitätsmustern in Bodenproben mit kolorimetrischen Substraten in Mikrotiterplatten, 2021), bei der die von Bakterien freigesetzten Exoenzyme betrachtet werden, und eine Testmethode mit arbuskulären Mykorrhizapilzen (symbiontische Pilze) (ISO 10832: Wirkung von Schadstoffen auf Mykorrhizapilze – Sporenkeimtest, 2011) zu erweitern. Auch ein molekularbiologischer Ansatz (Automatisierte rRNA-Intergenic-Spacer-Analyse - ARISA) zur Bewertung der Auswirkungen auf die Struktur der Mikroorganismengemeinschaft wird empfohlen, muss aber vor der Einführung in ein Umweltbewertungsschema weiter erforscht werden.

© Fraunhofer IME
Gekeimte Sporen des arbuskulären Mykorrhizapilzes Funneliformis mosseae vor Testdurchführung nach ISO 10832 (2011)
© Fraunhofer IME

Untersuchung der Auswirkungen von Antibiotika und Tierarzneimitteln auf die Entwicklung von Resistenzgenen bei Bodenmikroorganismen

Versuche zur Toxizität von Antibiotika auf einzelne Mikroorganismenstämme und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen spielen bei der Risikobewertung von Antibiotika eine wichtige Rolle. Dafür wird die minimale Hemmkonzentrationen von Antibiotika für klinisch relevante Bakterienstämme bestimmt. Solche Daten sind für verschiedene Antibiotika in der EUCAST-Datenbank abgelegt. Für bodenrelevante Bakterienstämme liegen solche Daten bisher nicht vor. Im Rahmen des Projektes wurden daher minimale Hemmkonzentrationen für vier bodenrelevante Bakterienstämme bestimmt. Für drei der vier getesteten Antibiotika/Tierarzneimittel wurde kein systematischer Unterschied zwischen den minimalen Hemmkonzentrationen für die getesteten bodenrelevanten und klinischen Stämme (aus der EUCAST-Datenbank) festgestellt. In einem Fall zeigte jedoch ein Bodenbakterium eine niedrigere minimale Hemmkonzentration im Vergleich zu den klinischen Stämmen. Die Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass standardmäßige ökotoxikologische Tests das Risiko bestimmter Tierarzneimittel in Bezug auf die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen bei Bodenbakterien unterschätzen könnten. Der Datensatz ist aktuell allerdings zu limitiert, um eine Überprüfung des Verdachts der Antibiotika-Resistenzentwicklung in Bodenmikroorganismen leisten zu können.

 

Einfluss von Mehrfachanwendungen von Pflanzenschutzmitteln auf den mikrobiellen Schadstoffabbau in Böden

Die Abbaubarkeit von Pflanzenschutzmitteln und Tierarzneimitteln wird routinemäßig in Laborstudien (OECD Richtlinie 307) mit Referenzböden und anhand einer maximalen Aufwandmenge des Pflanzenschutzmittels bestimmt. Innerhalb einer Vegetationsperiode können aber mehrere Pflanzenschutzmittel aufgebracht werden, die mehrere Wirkstoffe enthalten können. Dies wird in der aktuellen Umweltrisikobewertung nicht berücksichtigt. Versuche zur Abbauleistung der Bodenmikroorganismen bei Exposition von zwei Referenzböden mit dem Fungizid Pyraclostrobin und dem Herbizid Ethofumesat sollten zeigen, ob eine Mehrfachanwendungen eines der beiden Wirkstoffe, eines binären Gemisches, aber auch potentielle Hintergrundkontaminationen, die Abbaubarkeit von Pflanzenschutzmitteln im Boden beeinflussen.

Die Mehrfachanwendung desselben Pflanzenschutzmittels, sowie das Vorhandensein eines anderen Pflanzenschutzmittels im Boden hatten sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Abbauleistung der Bodenmikrooganismen. Beispielsweise wurde ein geringer Abbau von Ethofumesat nachgewiesen, wenn der Boden vorher mit Pyraclostrobin belastet wurde. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass weitere Untersuchungen zur Mehrfachexposition erforderlich sind, um realistischere Anwendungsmuster und landwirtschaftliche Praktiken zu berücksichtigen.

 

Schlussfolgerung

Das Projekt MICROSOIL unterstreicht die Notwendigkeit des Auftrags der Europäischen Kommission, den Leitfaden der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für Bodenorganismen zu aktualisieren und gibt konkrete Empfehlungen, wie dieser Leitfaden in Bezug auf Mikroorganismen im Boden aktualisiert werden sollte.

 

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ISO 20130 (2021) - Messung von Enzymaktivitätsmustern in Bodenproben mit kolorimetrischen Substraten in Mikrotiterplatten – Ureaseaktivität
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