Entwicklung eines Hochdurchsatz-Screeningverfahren für modellbasierte Medienoptimierung

Fraunhofer-Projekt DiBi

Motivation und Problemstellung

Rekombinante, komplexe Proteine gewinnen in der Medizin, sowohl für die Diagnostik als auch die Therapie eine immer größere Bedeutung. Aufgrund ihrer post-translationalen Modifikationen können vieler dieser Proteine allerdings nur in eukaryotischen Produktionssystemen wie Säugerzellen hergestellt werden, die aufgrund der komplexen Medien extrem teuer und wenig nachhaltig sind und daher nur für die Großproduktion von Proteinen mit hohen Gewinnmargen eingesetzt werden. Pflanzenzellen können dagegen in einfachen und gut verfügbaren Medien kultiviert werden und stellen eine kostengünstige und nachhaltige Alternative dar, die auch für die Herstellung von komplexen Proteinen mit geringerer Gewinnmarge geeignet sind. Nichtsdestotrotz finden Pflanzenzellen zurzeit nur für bestimmte Nischenprodukte Anwendung, da die Produktivität von Pflanzenzellen mit 100 mg – 1 g/L unter denen von Säugerzellen mit 1 – 5 g/L liegt. Die hohen Ausbeuten bei Säugerzellen werden dabei u. a. durch die systematische Optimierung der Medien unter Berücksichtigung des Stoffwechsels der Zellen erreicht, wobei miniaturisierte Kultivierungssysteme im Mikrotiterplattenformat eingesetzt werden, die eine Testung unterschiedlichster Bedingungen im Hochdurchsatz ermöglichen. Solche miniaturisierten Kultivierungssysteme und solche Stoffwechselmodelle gibt es bis jetzt noch nicht für Pflanzenzellen und die verwendeten Kultivierungsbedingungen beruhen v. a. auf Erfahrungswerten und nicht auf einer systematischen Untersuchung und Anpassung. Die Gestaltung der Kultivierungsbedingungen ist allerdings ein dynamischer Prozess, d. h., das Auffinden von optimalen Trajektorien für die Einflussgrößen eröffnet zu viele Freiheitsgrade, als dass diese allein durch Erfahrung bestmöglich gestaltet werden könnten.

Projektziel und Lösungsansatz

Um diese Herausforderungen zu adressieren sollen im DiBi-Projekt vier zentrale Ziele erreicht werden:

(i) Unter Nutzung industrieller Laborautomatisierungssysteme soll ein miniaturisiertes Hochdurchsatz-Kultivierungssystem für Pflanzenzellen entwickelt werden, dass die Produktionsbedingungen von Bioreaktoren (1, 5, 50 L) abbildet und die parallele Testung von 40-160 Bedingungen innerhalb von einer Woche ermöglicht.

(ii) Das in den Vorarbeiten entwickelte einfache unstrukturierte White-Box Modell soll zu einem unstrukturierten Grey-Box-Modell für den pflanzlichen Stoffwechsel weiterentwickelt werden, wobei maschinelle Regressionsmodelle für die Reaktionskinetiken eingesetzt werden sollen.

(iii) Ein Softwaremodule mit interaktiver graphischer Schnittstelle soll für die mehrkriterielle Prozessoptimierung mittels iterativer Modellbildung, Versuchsplanung, und Modellanpassung aufgebaut werden.

(iv) Durchführung eines Praxistest zur Herstellung eines komplexen Protein (z. B. ein Stoffwechselenzym) in einer Pflanzenzelllinie. Am Ende des Projektes soll ein Demonstrator zur Verfügung stehen, mit dem zelllinien- und produktspezifische Kultivierungsbedingungen systematisch angepasst werden können, um mit Säugerzellen vergleichbare Produktausbeuten zu erzielen. Dieser wird der wesentliche Teil des Verwertungspfades bilden.

Die Zielgruppe der Digitalisierung biotechnologischer Prozesse sind v. a. KMU, die sich auf Nischenanwendungen z. B. für seltene Krankheiten spezialisiert haben und denen es ermöglicht werden soll, innovative Biopharmazeutika und neue Geschäftsmodelle für diese Nischen zu entwickeln. Zusätzlich können aber auch Firmen, die zurzeit noch auf Säugerzellen als bewährtes Produktionssystem für komplexe Proteine mit hohen Gewinnmargen setzen, genauso wie Unternehmen, die auf die Großproduktion einfacher Proteine in Mikroorganismen spezialisiert sind, von dieser Technologie profitieren, wodurch sich ein sehr hohes Verwertungspotenzial für das Fraunhofer IME und ITWM ergibt.

Projektsteckbrief

Projekttitel DiBi: Digitalisierung biotechnologischer Prozesse: Gezielte Produktivitätssteigerung durch modellbasierte Optimierung der Kultivierungsbedingungen von Pflanzenzellen
Laufzeit 01/2024 - 01/2026
Förderung

Förderprogramm "SME" der Fraunhofer-Gesellschaft

Projektpartner
  • Fraunhofer-Institut für Moelkularbiologie und Angewandte Oekologie IME
  • Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM
Projektleiter Dr. Henrik Nausch
ZIELE 
  • Entwicklung eines miniaturisierten Kultivierungssystem für Pflanzenzellen
  • Entwicklung von strukturiertem Grey-Box-Modell für den pflanzlichen Stoffwechsel und die Biomassebildung
  • Entwicklung von Softwaremodulen für zielgerichtete Mehrzieloptimierung von Kultivierungsbedingungen 

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Henrik Nausch

Contact Press / Media

Dr. Henrik Nausch

Abteilungsleiter »Modellbasierte Produkt- und Bioprozessentwicklung«

Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME
Forckenbeckstr. 6
52074 Aachen

Telefon +49 241 6085-184