Multiplexing in der Point-of-Care Diagnostik

In der Pathogendiagnostik benötigen wir neben einer hochspezialisierten Labordiagnostik in vielen Fällen auch eine Point-of-Care (POC) Diagnose, um sicherzustellen, dass nötige Interventionsmaßnahmen unmittelbar zur Anwendung kommen.

Ein idealer POC-Test weist die sogenannten ASSURED-Kriterien auf: Erschwinglich, sensitiv mit minimaler Anzahl falsch-negativer Ergebnisse, spezifisch mit minimaler Anzahl falsch-positiver Ergebnisse, benutzerfreundlich mit minimalen Schritten bei der Ausführung, robust, gerätefrei – keine komplexen Geräte notwendig und für den Endnutzer verfügbar. Oft muss zwischen mehreren Pathogenen differenziert werden, in diesem Fall ist es von großem Vorteil, wenn eine simultane Detektion mehrerer Pathogene aus einer Probe möglich ist (Multiplexing). Dies spart Zeit, Ressourcen und ermöglicht eine umfassendere, schnellere Diagnose direkt am Behandlungsort.

© Fraunhofer IME | Birgit Orthen
Ausrüstung zur Durchführung der LAMP-Tests. Wir benötigen lediglich eine konstante Wärmequelle wie Heizblock oder Wasserbad, Pipetten, Pipettenspitzen, Reaktionsgefäße und die LFDs.

Schnelle Diagnose direkt vor Ort: POC–Tests

Für den labor- und gerätebasierten diagnostischen Nachweis von Pathogenen existiert eine Vielzahl an Technologien. Auf dem Markt befindliche Nachweisverfahren beruhen zumeist auf den klassischen Methoden Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) oder Polymerase Chain Reaction (PCR). Deren Verwendung als POC-Tests stehen, trotz hoher Spezifität und Sensitivität, die Notwendigkeit von hochtechnisierten Geräten, spezialisierten Laboren und geschultem und erfahrenem Personal sowie die hohen Kosten entgegen. Zudem hängen Spezifität und Sensitivität aller immunologischen Methoden wie ELISA sehr stark von der Qualität der verwendeten Antikörper ab.

Im Gegensatz zu laborbasierten Erregernachweisen bieten POC-Tests den Vorteil, besonders schnell Diagnosen stellen zu können, was in klinischen Situationen entscheidend ist. Diese Schnelligkeit darf jedoch nicht zu Lasten der Zuverlässigkeit gehen. POC-Tests sind manchmal weniger präzise als ihre labormedizinischen Pendants. Es ist wichtig, dass die Sensitivität der verwendeten Tests deutlich besser ist als für die Diagnose erforderlich. Bei der Anwendung von POC-Tests sollte abgewogen werden, ob der Einsatz trotz möglicher Ungenauigkeiten gerechtfertigt ist.
Der von uns entwickelte Test auf Basis der »Loop-mediated Isothermal Amplification« (LAMP)-Methode weist spezifische Nukleinsäuresequenzen der Erreger mit hoher Sensitivität nach. Für den Nachweis von SARS-CoV-2 beispielsweise zeigten wir eine etwa 10 bis 100-fach bessere Sensitivität als für die Diagnose erforderlich.
Ein weiterer Vorteil von POC-Tests ist die Benutzerfreundlichkeit. Die Tests sind so konzipiert, dass sie auch von weniger erfahrenem Personal durchgeführt werden können, was ihren Einsatz u.a. in ressourcenarmen Gebieten erleichtert. Unser POC-Test benötigt keine komplexen Geräte und kommt ohne aufwendige Reinigung der Erreger aus. Um die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, ist geschultes Personal von Vorteil.

© Fraunhofer IME | Lena Freund
A: Schematische Darstellung der neuen Lateral-flow Dipstick (LFD) Prototypen B; C; D; E: Nachweis von verschieden markierten LAMP-Amplifikationsprodukten mit dem neuen Lateral-flow Dipstick (LFD) Prototypen - simplex (B), duplex (C; D) und quadruplex (E).

Simultane Detektion: Multiplex-Tests

Die Multiplextechnologie ermöglicht die gleichzeitige Detektion mehrerer Pathogensequenzen in einer Probe und erhöht damit die Effizienz. Durch die gleichzeitige Analyse mehrerer Zielsequenzen werden Zeit und Probenmaterial effizienter genutzt und so die Kosten pro Test reduziert.

Die Durchführung von Multiplex-Tests kann komplex sein und erfordert sorgfältige Planung. Die LAMP-Technologie nutzt pro Nachweis sechs verschiedene Primer, was ein hohes Maß an Know-how bei der Gestaltung der Primer-Sets erfordert, um gegenseitige Interferenzen zu vermeiden. Unterschiede in der Effektivität der LAMP-Reaktionen können zur Dominanz des empfindlichsten Nachweises und zur Erhöhung des Risikos von Kreuzreaktivitäten führen.
Zur Visualisierung der Ergebnisse nutzen wir Lateral Flow Dipsticks (LFD). Sie sind einfach zu handhaben und ermöglichen den spezifischen Nachweis von positiven Ergebnissen, was mit den meisten POC geeigneten LAMP-Nachweissystemen nicht möglich ist. Bei den LFD erfolgt dieser durch die spezifische Bindung der markierten Fragmente an den Teststreifen.

Die maximale Anzahl von Pathogenen in einem Multiplex-Assay wird nicht nur durch die Komplexität des Reaktionsaufbaus begrenzt, sondern auch durch die Anzahl der Testlinien auf den verfügbaren LFD. Bei der Entwicklung unseres Assays zum Nachweis von Kartoffelviren im Projekt »TRV2Go« standen lediglich LFDs mit maximal zwei adressierbaren Testlinien zur Verfügung, was maximal Duplex-Reaktionen erlaubte. Daher gaben wir im Projekt »2detect« die Entwicklung eines Teststreifens mit fünf Testlinien in Auftrag, um den gleichzeitigen Nachweis von bis zu vier verschiedenen markierten LAMP-Amplifikationsprodukten sowie einer Ziellinie für die interne LFD-Funktionskontrolle zu ermöglichen. In unserem Test verzichteten wir auf eine der Testlinien zugunsten einer weiteren Kontrolle, die mittels Amplifikation eines sogenannten Housekeeping Gens sicherstellt, das Probennahme, Setup der LAMP-Reaktion und Analyse der Ergebnisse durch den LFD fehlerfrei durchgeführt wurden, um falsch-positive sowie falsch negative Ergebnisse zu erkennen.

Wir nutzen diese Teststreifen erfolgreich für den Nachweis markierter Amplifikationsprodukte verschiedener humanpathogener respiratorischer Viren (RSV; Influenza A; Influenza B; SARS-CoV-2). In zukünftigen Projekten planen wir die Teststreifen auch für den differenzierten Nachweis weiterer Erreger beispielsweise von Nutztieren- oder Kulturpflanzen einzusetzen.


Fazit

Das neue LAMP-Testverfahren erfüllt die ASSURED-Kriterien und bietet bedeutende Vorteile im Bereich der Multiplex-Diagnostik. Durch die gleichzeitige Detektion mehrerer Pathogene aus einer Probe ermöglicht es eine effiziente und umfassende Analyse, die Zeit und Ressourcen spart. Die hohe Sensitivität des LAMP-Tests, insbesondere beim Nachweis von respiratorischen Viren, gewährleistet die zuverlässige Identifikation auch seltener Erreger. Dank seiner Benutzerfreundlichkeit und der Vermeidung komplexer Geräte ist der Einsatz in ressourcenarmen Gebieten und Notfallsituationen besonders attraktiv. Der neu entwickelte Teststreifen mit fünf Testlinien ermöglicht den simultanen Nachweis von bis zu 4 Erregern und trägt zur schnellen, präzisen und kosteneffizienten Diagnostik bei.
Die Fortschritte im Multiplexing positionieren unser LAMP-Testverfahren als zukunftsweisende Lösung in der Pathogendiagnostik, die die Anforderungen an Erschwinglichkeit, Sensitivität, Spezifität, Benutzerfreundlichkeit, Robustheit und Verfügbarkeit erfüllt.