Motivation und Problemstellung
Die Landwirtschaft steht vor einem tiefgreifenden Wandel, in dem wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Interessen unter dem Einfluss von Klimawandel und geopolitischen Krisen ausbalanciert werden müssen. Regulatorische Vorgaben, wie die EU-Ziele zur Halbierung des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel (PSM) bis 2030, stellen Landwirte vor große Herausforderungen, da alternative Strategien zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten noch nicht ausgereift sind. Ein übermäßiger Einsatz von Fungiziden führt zu Biodiversitätsverlusten, während ihr Verzicht erhebliche Ertragseinbußen nach sich ziehen kann. Das mittelfristige Ziel muss es daher sein, die Menge an PSM optimal an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und nur dann PSM auszubringen, wenn tatsächlich ein pathogener Befall vorhanden ist oder droht. Hierfür müssen neue innovative Verfahren entwickelt werden, um einen solchen Befall möglichst frühzeitig zu erkennen oder anhand intelligenter Prognosemodelle vorhersagen zu können.
Derzeit erfolgt die Erkennung von Pflanzenpathogenen entweder durch visuelle Inspektion oder zeitaufwendige Laboranalysen. Während molekularbiologische Methoden wie PCR oder ELISA eine hohe Sensitivität bieten, sind sie für den praktischen Feldeinsatz nicht ausreichend verfügbar. Schnelltests wie Lateral Flow Assays (LFA) sind zwar vor Ort anwendbar, aber oft nicht sensitiv genug, um frühzeitig Infektionen zu detektieren.
Das Verbundsprojekt »MagnI-SENSE« zielt darauf ab, ein innovatives Analyse- und Monitoringsystem zu entwickeln, das eine integrierte vor-Ort-Analytik, ein individuelles Beratungskonzept und eine KI-gestützte Prognose für Befallserkennung umfasst. So sollen Landwirte in die Lage versetzt werden den PSM Einsatz insgesamt deutlich zu reduzieren, dabei die Ernteerträge zu maximieren und so neben dem positiven ökologischen Aspekt auch erhebliche Kosten einzusparen.
Projektziel und Lösungsansatz
Unter der Koordination des Fraunhofer IME erforscht MagnI-SENSE vier technische Innovationen, die zusammen eine präzisere Vorhersage des Auftretens von Schadorganismen und damit Handlungsempfehlungen für den zielgerichteten PSM Einsatz ermöglichen:
- MagnI-SEP: Eine einfache und statistisch fundierte Methode zur Probennahme sowie zur vor Ort umsetzbaren Probenaufbereitung und -anreicherung mithilfe spezieller magnetischer Nanosonden, die gezielt Pathogene anreichern.
- MagnI-TECT: Eine schnelle und unkomplizierte Erfassung der Pathogenbelastung vor Ort durch magnetische Immunodetektion in einem speziellen Auslesegerät, sowohl qualitativ als auch quantitativ.
- MagnI-LAMP: Ein magnetisches Verfahren, das auf der Loop-mediated isothermal amplification basiert und eine hochsensitive mobile Detektion von spezifischen Gensequenzen für mehrere Pathogengruppen gleichzeitig ermöglicht.
- MagnI-APP: Die vor Ort gesammelten Analysedaten werden in einer Cloud-basierten Datenbank mit weiteren externen Informationen verknüpft. Ein KI-gestützter Monitoring-Algorithmus verarbeitet diese Daten und liefert dem Nutzer Prognosen über das Auftreten von Schadwellen sowie passende Handlungsempfehlungen.
Die vier Innovationen werden anhand von ausgewählten pilzlichen Schadorganismen erprobt und in der Praxis demonstriert. Aufgrund der bislang fehlenden Detektionsverfahren bleiben diese Pathogene während der Anfangs- und Ausbreitungsphase bislang meist unbemerkt und können so ertragsrelevanten Schaden an den befallenen Pflanzen anrichten. MagnI-SENSE soll diesem Problem effektiv entgegenwirken und Landwirten gezielte Empfehlungen zur Förderung der Pflanzengesundheit geben. Ein wesentlicher Aspekt ist die aktive Einbindung wichtiger Akteure der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette.
Das Fraunhofer IME verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung von Schnellanalyseverfahren, insbesondere auf Basis der Magnetischen Immunodetektion, bei der magnetische Nanosonden für Anreicherung und Nachweis von Pflanzenpathogenen eingesetzt werden. Darüber hinaus wurden am IME bereits verschiedene LAMP-basierte Schnellnachweissysteme erforscht und etabliert. In MagnI-SENSE sollen nun beide Verfahren zu einem hochsensitiven und spezifischen magnetischen LAMP Verfahren zusammengeführt werden.