Was mich nicht umbringt, macht mich stärker
Asiatische Marienkäfer sind weltweit auf dem Vormarsch und verdrängen in vielen Ländern die dort heimischen Arten. Die Invasoren setzen auf biologische Kriegsführung: Sie infizieren ihre Konkurrenten mit tödlichen Parasiten, gegen die sie selbst immun sind. Dies zeigt eine Studie des Fraunhofer IME, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins »Science« vorgestellt wird
Asiatische Marienkäfer sind weltweit auf dem Vormarsch und verdrängen in vielen Ländern die dort heimischen Arten. Die Invasoren setzen auf biologische Kriegsführung: Sie infizieren ihre Konkurrenten mit tödlichen Parasiten, gegen die sie selbst immun sind. Dies zeigt eine Studie des Fraunhofer IME, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins »Science« vorgestellt wird.
Aus Menschensicht sind Marienkäfer hübsch anzusehen, harmlos und obendrein noch nützlich, denn sie fressen Blattläuse und andere Pflanzenschädlinge. Besonders gefräßig ist der Asiatische Marienkäfer alias Harmonia axyridis: Weil er bis zu 200 Blattläuse pro Tag verputzt, haben ihn findige Biobauern vor Jahrzehnten zwecks biologischer Schädlings-bekämpfung auf Felder und in Gewächshäuser geholt – erst nach Nordamerika, dann nach Europa. Doch seit den 1990-er Jahren werden die kleinen Helfer selbst zum Problem. Sie vermehren sich hemmungslos und gelten mittlerweile als Musterbeispiel einer invasiven Art.
Auch in Deutschland haben die Fremdlinge Fuß gefasst und machen den etwa 80 einheimischen Marienkäfern das Leben schwer. »Wenn das so weitergeht, werden viele dieser Arten verschwinden«, fürchtet Professor Andreas Vilcinskas. Der Biologe leitet das Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie der Universität Gießen. 2010 hat er zudem die Projektgruppe Bio-Ressourcen am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME aufgebaut, deren Finanzierung das Land Hessen über das Exzellenzinitiativ-Programm LOEWE mit 4,5 Millionen Euro unterstützt. »Wir wollen die enorme Biodiversität der Insekten nutzbar machen. Diese Tiergruppe verfügt über eine Vielzahl von Biomolekülen mit Potenzial für medizinische oder biotechnologische Anwendungen«, betont Vilcinskas.
Invasive Arten wie den Asiatischen Marienkäfer hält der Fraunhofer-Forscher für besonders viel versprechend: »Wenn sich eine Art weltweit durchsetzen kann, dann muss sie eine starke Immunabwehr besitzen. Denn in den neuen Lebensräumen ist sie ständig mit anderen Krankheitserregern konfrontiert«. Ein Vergleich des eingeschleppten Käfers mit zwei heimischen Arten – dem Siebenpunkt und dem Zweipunkt-Marienkäfer – gibt dem Biologen Recht: Im Reagenzglas vermag das Blut der fremdländischen Insekten Bakterien deutlich stärker abzuwehren als das Blut der beiden europäischen Arten. Als Wirkstoff identifizierten Vilcinskas Mitarbeiter eine Substanz namens Harmonin; sie wird ausschließlich von Harmonia hergestellt und erwies sich im Experiment als effizientes Antibiotikum – unter anderem gegen die Erreger von Tuberkulose und Malaria.
Harmonin ist jedoch nur eine von vielen chemischen Waffen, mit denen sich Asiatische Marienkäfer gegen Mikroorganismen zur Wehr setzen. Massive Angriffe von Bakterien kontern die exotischen Krabbler mit über 50 Substanzen aus der Klasse der Peptide. Das ergaben aufwändige molekularbiologische Analysen von Dr. Heiko Vogel am Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena. »Damit hält Harmonia den Rekord. Kein anderes Tier produziert so viele antimikrobielle Peptide«, betont Vilcinskas. So sichern sich die Invasoren einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Siebenpunkt & Co.. Doch die erhöhte Widerstandskraft erklärt noch nicht ihre enorme Durchsetzungsfähigkeit. Auch aus direkten Auseinandersetzungen mit ihren Verwandten gehen sie stets als Sieger hervor.
Eine verblüffende Beobachtung führte das Fraunhofer-Team zum eigentlichen Erfolgsrezept von Harmonia: Im Kampf um Nahrung und Lebensraum fressen Marienkäfer nicht selten Larven und Eier ihrer Konkurrenten. Macht sich ein Siebenpunkt-Marienkäfer über die Jugendstadien des Fremdlings her, so stirbt er daran. Vergreift sich aber ein asiatischer Käfer am heimischen Nachwuchs, so bekommt ihm das bestens. Des Rätsels Lösung liegt im Blut der Invasoren: Es ist voll mit sporenförmigen Parasiten. Sie ließen sich nach gut 18-monatiger molekularbiologischer Detektivarbeit einer Gruppe pilzähnlicher Einzeller namens Nosema zuordnen.
»Inzwischen haben wir uns Asiatische Marienkäfer aus der ganzen Welt angesehen. In jeder Population, in jedem einzelnen Tier, selbst in den Eiern finden wir Mikrosporidien«, so Vilcinskas. Wenn ein Siebenpunkt ein Harmonia-Ei verspeist, infiziert er sich also unweigerlich mit den Erregern. Die Mikrosporidien vermehren sich in ihrem neuen Wirt und bringen ihn schließlich um. Warum sie ihren asiatischen Wirten nichts anhaben können, wissen die IME-Forscher noch nicht. Eine heiße Spur gibt es aber schon, verrät Andreas Vilcinskas: »Vermutlich schützen sich die Käfer mit Harmonin. Wir glauben, dass sie damit die Vermehrung der Mikrosporidien auf einem ungefährlichen Niveau halten«.