Neue Studie warnt: Menschengemachte Änderungen des Salzgehaltes gefährden Weltmeere und Biodiversität

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Internationales Forscherteam legt Auswirkungen der Salzgehaltänderungen auf Zustand und Funktion von Ökosystemen sowie zu erwartende Schäden für die menschliche Gesellschaft dar und drängt auf Gegenmaßnahmen

In der hochgeachteten Fachzeitschrift »Global Change Biology« berichtet ein internationales Wissenschaftlerteam aus interdisziplinär Forschenden von renommierten Institutionen über die vor Kurzem publizierte Studie »Human-induced salinity changes impact marine organisms and ecosystems / Menschengemachte Salinitätsveränderungen beeinflussen marine Organismen und Ökosysteme«. Die neue Studie legt die kritische und doch wenig erforschte Rolle des Salzgehaltes im Wasser, der Salinität, in einem sich verändernden Ozean und entlang der Küsten offen. Damit bietet sie wertvolle Einblicke in die von menschlichen Eingriffen verursachten Bedrohungen durch Salinitätsveränderungen für marine sowie Küstenökosysteme und skizziert die Konsequenzen für die menschliche Gesundheit und Wirtschaft in den oft dicht besiedelten Regionen.

»Unsere Arbeit zeigt, dass Salinitätsveränderungen ein bedeutendes, jedoch unzureichend erforschtes Problem darstellen. Wir sind zwar gut darüber informiert, wie sich veränderte Temperaturen, pH-Werte und Nährstoffe auf Ozean- und Küstenökosysteme auswirken. Jedoch wurden die Effekte menschengemachter Salinitätsveränderungen bisher stark vernachlässigt. Und das, obwohl die Salzbelastung für alle Arten von Organismen, einschließlich Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen entscheidend ist«, erklärt der Gießener Biologe Dr. Till Röthig, Leiter der Studie sowie stellvertretender Abteilungsleiter der Biodiversitätsforschung des Fraunhofer IME in Gießen.

Besonders anfällig für Salinitätsveränderungen sind Ökosysteme entlang der Küste und Flussmündungen, die für ihre hohe Produktivität bekannt sind. So hebt die Studie hervor, dass klimabedingte Veränderungen des Niederschlags zu extremen Hochwasser- und Dürreereignissen führen können, was wiederum die Verfügbarkeit von Süßwasser beeinträchtigt und diese sensiblen Küstenhabitate belastet. Außerdem betonen die Wissenschaftler*innen verstärkende Effekte durch lokale menschliche Aktivitäten wie Veränderungen der Landnutzung, Urbanisierung, Flussregulierung und terrestrische Entwässerung, die den Stress besonders für Küstenregionen weiter verschärfen. »Salinität ist ein zentraler Faktor für viele Stoffwechselprozesse und die meisten marinen Organismen sind darauf ausgelegt, in Umgebungen mit recht stabilem Salzgehalt zu leben. Die Salinität interagiert auch mit anderen physikalischen und chemischen Parametern wie Temperatur und Sauerstoffgehalt und prägt so die physikalische Umwelt des Ozeans«, erklärt Prof. Dr. Christian Voolstra, Professor für Genetische Adaption in aquatischen Systemen an der Universität Konstanz und Mitautor.

Die Forschenden warnen davor, dass sich die Auswirkungen von Salinitätsveränderungen mit der Meereserwärmung, Sauerstoffmangel, Nährstoffanreicherung und erhöhten Partikelbelastungen durch den Klimawandel und menschliche Aktivitäten weiter verstärken können. Thermische Ausdehnung, Süßwassereintrag und Salinitätsveränderungen tragen auch zur Anhebung des Meeresspiegels bei, was zu Salzwassereintrag in Küsten- und tief liegenden Gebieten führt und dort die Struktur und Funktion von Ökosystemen stört.

Die Autoren betonen die Dringlichkeit, die mit Salinitätsveränderungen zusammenhängenden Belastungen aufzuarbeiten, um marine und Küstenökosysteme sowie deren Biodiversität zu schützen. Sie heben die Verletzlichkeit ausgewählter Lebensräume und ihrer Schlüsselorganismen hervor und skizzieren die Auswirkungen von Salinitätsveränderungen auf Mikroorganismen, Plankton, Korallen, Mangroven, Gezeitenmarsche, Makroalgen und Seegras.

»Unsere Daten zeigen, dass die zu erwartenden Salinitätsveränderungen schon alleine zum Zusammenbruch von Ökosystemen führen können. Salinitätsveränderungen treten jedoch nicht isoliert auf, sodass betroffene Lebensräume auch mit Veränderungen von Temperatur und Sauerstoffgehalt, Versauerung und Verschmutzung konfrontiert werden. Die entstehenden Wechselwirkungen stellen eine große Unbekannte in Bezug auf das Verständnis und den Erhalt unserer Ozeane und Küsten dar«, betont Röthig.

 

Publikation:

Till Röthig, Stacey M. Trevathan-Tackett, Christian R. Voolstra, Cliff Ross, Samuel Chaffron, Paul J. Durack, Laura M. Warmuth & Michael Sweet: Human-induced salinity changes impact marine organisms and ecosystems. Global Change Biology 2023

DOI: 10.1111/gcb.16859

© Amy Keagy
Der vom Klimawandel verstärkte globale Wasserkreislauf und weitere menschliche Aktivitäten beeinflussen den Salzgehalt in den Weltmeeren und verändern Ökosysteme und deren Funktionen.