Die Bedeutung der Aquakultur für die weltweite Versorgung mit Fisch und Meeresfrüchten nimmt weiter zu. Tatsächlich überstieg der Verbrauch von Aquakulturprodukten im Jahr 2014 erstmals den Verbrauch von Wildfisch. Fischfutter, das in der kommerziellen Fischzucht verwendet wird, enthält bereits einen erheblichen Anteil an pflanzlichen Rohstoffen. Daher ist es wichtig, das Potenzial für die Übertragung von Pestizidrückständen aus Fischfutter in essbare Teile von Zuchtfischen zu verstehen. In der EU sind im Rahmen der behördlichen Zulassung von Pestiziden Stoffwechselstudien an Fischen erforderlich, wenn behandelte Pflanzen als Rohstoff für Fischfutter verwendet werden, um das Risiko einer Übertragung von Rückständen in essbare Gewebe zu bewerten.
Fischstoffwechselstudien für sichere Lebensmittel
Fischstoffwechselstudien quantifizieren Gesamtrückstände und charakterisieren die chemische Beschaffenheit von Rückständen, die in essbaren Geweben von Fischen auftreten können, die Pestiziden ausgesetzt waren. Solche Studien sind erforderlich, wenn der Einsatz von Pestiziden zu signifikanten Rückständen eines Wirkstoffs oder eines wichtigen Metaboliten in der Gesamtnahrung führen kann, die sich auch anreichern können (dies wird berücksichtigt, wenn der Logarithmus des n-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten (log Pow) > 3 ist). Das Fraunhofer IME hat gemeinsam mit Vertretern von Regulierungsbehörden und der Industrie ein Prüfkonzept für die Durchführung von Fischstoffwechselstudien entwickelt. Das entsprechende Arbeitsdokument der EU-Kommission zum Thema „Natur der Pestizidrückstände in Fischen“ wurde 2021 veröffentlicht (SANTE/10254/2021).
Fraunhofer-Einrichtung für Fischstoffwechselstudien
Teil der Forschungseinrichtung für Aquakulturstudien in Schmallenberg sind zwei moderne Durchflusssysteme aus Edelstahl, die die Technologie für die Durchführung von Fischstoffwechselstudien mit Tieren bis zur Marktgröße bereitstellen. Die Versuche können unter Durchflussbedingungen in großen Tankanlagen (2 m³) durchgeführt werden. Alle Tanks sind mit leistungsstarken Filtersystemen ausgestattet, um die Anreicherung von gelösten Testsubstanzen und ausgeschiedenen Metaboliten im Wasser während der Stoffwechselstudien zu vermeiden. Das Testsystem erfüllt alle Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen für Registrierungsstudien mit 14C-markierten Verbindungen. Als Testorganismen stehen Karpfen (Cyprinus carpio) und Regenbogenforellen (Oncorhynchus mykiss) zur Verfügung. Stabilisierte Versuchsfuttermittel, die mit radioaktiv markierten Testsubstanzen angereichert sind, können vor Ort hergestellt werden. Die Probenvorbereitung und die analytischen Untersuchungen werden am Fraunhofer IME in Schmallenberg durchgeführt. Für den Nachweis und die Identifizierung von Pestizidmetaboliten stehen modernste Analysegeräte zur Verfügung, darunter Radio-HPLC, LC/MS und NMR-Technologie. Das Fraunhofer IME bietet Prüfungen nach den Grundsätzen der GLP (Good Laboratory Practice) an.
Berechnung der Belastung über die Nahrung
Die europäische Pestizidverordnung schreibt Fischstoffwechsel- und Fischfütterungsstudien vor, wenn die Rückstände in Fischfutter 0,1 mg kg−1 der Gesamtnahrung (Trockengewichtsbasis) überschreiten, um die Festlegung geeigneter Rückstandshöchstwerte in Fischereierzeugnissen zu ermöglichen. Die Berechnung der Belastung durch die Ernährung von Fischen ist daher eine wichtige Voraussetzung für die Entscheidung über weitere experimentelle Untersuchungen im Rahmen der Risikobewertung für Verbraucher. Die vom Fraunhofer IME entwickelte Software DietaryBurdenCalculator ermöglicht die Ermittlung der ungünstigsten Futterzusammensetzung aus pflanzlichen Futtermitteln. Dabei handelt es sich um die Zusammensetzung, die zur maximalen Belastung durch Pestizidrückstände in der Nahrung führt. Die Grundsätze für die Berechnung der Belastung durch Pestizidrückstände in der Nahrung von Fischen sind im Arbeitsdokument SANTE/10250/2021 der EU-Kommission beschrieben.
Ausmaß der Pestizidrückstände in Fischen
Untersuchungen zum Ausmaß von Rückständen in Fischen werden durchgeführt, um die Rückstandsgehalte in Fischfilets (einschließlich Haut), Leber und Fischkörpern zu quantifizieren. Sie erfolgen gemäß dem Arbeitsdokument SANTE/10252/2021 der EU-Kommission unter Verwendung von Versuchsfuttermitteln, die mit nicht radioaktiv markierten Testverbindungen versetzt sind. Die Untersuchungen können am Fraunhofer IME unter GLP-Bedingungen durchgeführt werden.
Innovative Forschungseinrichtung für Aquakulturstudien
In rezirkulierenden Aquakultursystemen (RAS) erfolgt die Fischzucht in Becken. Das Haltungswasser wird in einem integrierten Wasseraufbereitungssystem gereinigt und anschließend wieder in das Haltungsbecken zurückgeführt. Durch den Einsatz von Kreislauftechnologie kann der Wasserverbrauch im Vergleich zu herkömmlichen Durchflusssystemen deutlich reduziert werden. Die geringen Austauschraten führen jedoch auch zu einer potenziellen Anreicherung von organischen Substanzen, Futterzusätzen, Stoffen zur Wasseraufbereitung sowie Wirkstoffen, die dem Kreislaufsystem zugesetzt werden.
Am Fraunhofer IME steht eine weltweit einzigartige RAS-Forschungsanlage zur Verfügung, die die Untersuchung der physikalisch-chemischen und biologischen Prozesse in RAS-Systemen ermöglicht. Die aus Edelstahl gefertigte Anlage besteht aus sieben Einzelkreisläufen und erlaubt den Einsatz von 14C-markierten Substanzen. So lassen sich wertvolle Erkenntnisse über den Verbleib von futterbedingten und biogenen Substanzen unter typischen Aquakulturbedingungen gewinnen. Die Forschungsanlage kann somit dazu beitragen, die Zusammensetzung von Fischfutter und die Eigenschaften von Futterzusätzen zu optimieren, die Reinigungsleistung von Kreislaufsystemen zu verbessern und damit die Entwicklung von Produkten zu unterstützen, die ein hohes Maß an Sicherheit für Verbraucher und Umwelt bieten. Das neue RAS-System kann im Süß- und Salzwasserbetrieb betrieben werden. Für die Fütterungsversuche können Regenbogenforellen (Oncorhynchus mykiss) und weitere Fischarten verwendet werden.
Probenanalyse
Mit unseren modernen Analysegeräten können wir die Testverbindungen in verschiedenen Fischgeweben und Wasserproben, die während der Studien entnommen werden, quantifizieren. Die Kombination aus hochspezifischen Analysen und isotopenmarkierten Verbindungen ermöglicht die Identifizierung der Metaboliten organischer Substanzen.